Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
hatte anderes im Sinn. Er, seine Gehilfen und Angestellten, deutsche und italienische, würden nacheinander die Vertreter der sieben hohen Zünfte von Florenz besuchen, verkündete er.
    »Deren Hilfe ist unumgänglich. Natürlich werde ich euch junges Gemüse nicht jedesmal mitschleppen, wenn ich mit einem von ihnen etwas zu besprechen habe, aber einmal muß es schon sein, damit ihr wißt, wer hier in Florenz etwas zählt.«
    An der Spitze der Arti Maggiori , der sieben Zünfte, stand die Zunft der Bearbeiter fremder Stoffe, die Calimala. Die Angehörigen dieser Zunft führten aus dem Ausland Rohgewebe ein, hauptsächlich aus England, Flandern und Frankreich, um es hier zu feinem Tuch zu veredeln. Anton Eberding hoffte, die Calimala auch für Gewebe aus Augsburg gewinnen zu können, und besuchte Messer Ridolfi, der zu den bedeutendsten Männern seiner Zunft zählte, als ersten.
    Umberto Ridolfi besaß ein schönes Haus am Arno, nahe der ältesten Brücke von Florenz, dem Ponte Vecchio, und begrüßte Eberding und seine Begleiter herzlich.
    »Es freut mich, daß Ihr so leicht hergefunden habt«, sagte er, »ich bin wirklich dankbar für die günstige Lage meines bescheidenen Heims. Das einzig Nachteilige daran ist, daß man jeden Tag den Ponte Vecchio überqueren muß, wo die Metzger ihre Stände haben. Dieser Gestank! Aber man kann nicht alles haben, nicht wahr?«
    Der Tisch, an dem bereits mehrere Leute saßen, befand sich gegenüber der Tür zum Garten, und Richard spürte dankbar den frischen Luftzug, der vom Fluß hereinwehte. Ridolfi schnipste mit dem Finger.
    »Musik! Laßt die Nacchere erklingen!«
    Ein Mann, der Richard bisher noch nicht aufgefallen war, begann, ein Paar kugelartige Instrumente rhythmisch zu schütteln, und zwei der Frauen, die am Tisch saßen, stimmten ein Lied an, in das bald die ganze Gesellschaft einfiel.
    »Lacht und seid fröhlich!« rief Messer Ridolfi. »Wir haben hier in Florenz ein Sprichwort: Sperre all deine Sorgen in eine große schwarze Truhe und verliere den Schlüssel!«
    Die Deutschen warfen sich verblüffte Blicke zu. Wurden so in Italien Geschäfte getätigt?
    Richard, der mit den anderen Gehilfen am Ende der Tafel saß und genußvoll die kühle Melone verzehrte, die man ihnen gereicht hatte, bemerkte jedoch bald, daß der Zunftmeister mitnichten den Zweck des Besuches vergessen hatte. Der Mann schien durchaus in der Lage zu sein, in einem Moment zu singen und im nächsten darüber zu sprechen, daß man das größte Geheimnis der Calimala, jene besondere Farbmischung aus robbia und oricello , die das begehrte Scharlachrot ergab, in keinem Fall preisgeben würde.
    »Aber ich nehme doch an, Ihr gestattet uns eine gewisse Konzession für den Augsburger Handel«, sagte Eberding in seinem flüssigen, wenngleich akzentuierten Italienisch. »Lorenzo de'Medici hat unserem Unternehmen geschrieben, daß …«
    »Lorenzo hat nicht über unsere Zunft zu bestimmen!« entgegnete ein junger Mann hitzig, der offensichtlich der Sohn des Hauses war. »Es ist schlimm genug, was er aus unserer Republik gemacht hat. Er ist ein Tyrann, und …«
    »Basta!« unterbrach ihn sein Vater scharf. »Du redest, ohne zu denken, Colino. Ging es uns je so gut wie jetzt? Il Magnifico hat den unseligen Parteienhader beendet, und er hat Florenz zur angesehensten Stadt Italiens gemacht, ohne uns in kriegerische Unternehmungen zu verwickeln, wie es die Häupter der anderen Städte so gerne tun. Wir sind Kaufleute, keine Krieger, und Lorenzo hat das begriffen.«
    »Um den Preis seiner Alleinherrschaft!«
    »Und wenn es so wäre?« warf eine dunkle Dame, die Ridolfi als seine Gemahlin vorgestellt hatte, ruhig ein. »Er herrscht, doch er herrscht ohne Gewalt. Das Volk könnte ihn morgen stürzen, wenn es das wollte. Er weiß es und wir wissen es. Als ich ein Kind war, Colino, gab es in Florenz täglich Tote zu beklagen, die bei dem ständigen Zwist der großen Familien ums Leben kamen, und der Kampf um hohe Ämter wurde mit dem Schwert ausgetragen. Heute wäre das undenkbar, und wem haben wir das zu verdanken? Iß deinen Berlingozzo und unterlasse künftig törichte Reden an deines Vaters Tisch.«
    Der junge Mann errötete tief und senkte das Haupt. Richard biß in das mürbe, süß schmeckende Gebäck, das die Dame als Berlingozzo bezeichnet hatte, und hörte, wie Umberto Ridolfi bedauernd sagte: »Ah, diese jungen Leute heutzutage. Keinen Familiensinn, keinen Respekt. Madonna, wenn ich so mit meinem Vater

Weitere Kostenlose Bücher