Die Puppenspieler
den größten Teil Eurer Zeit hier verbringen … Nein, es ist unmöglich, als Student kann ich Euch nicht zulassen.«
Er sah Richards Blick und fügte etwas freundlicher hinzu: »Gleichwohl … Wir halten uns hier in Florenz an das Wort des heiligen Hieronymus, daß Gott sich über jeden Wissensdurstigen freut. Ihr könnt an den Vorlesungen unserer Lektoren teilnehmen … doch ohne ein Anrecht auf irgendeine Prüfung oder einen Grad zu haben.«
Richard atmete auf. »Seid bedankt, Messer. Gilt das«, setzte er hoffnungsvoll hinzu, »auch für die Vorlesungen der platonischen Akademie?«
Der Mann lachte. »Ihr Fremden macht euch immer falsche Vorstellungen von der platonischen Akademie. Sicher, es finden auch Vorlesungen statt, aber nur gelegentlich. Die Akademie versucht vor allem, das Ideal von Platons Gastmahl wiederzuerwecken, in zwangloser Atmosphäre wie unter Freunden zu diskutieren, und das geschieht in der Regel im Palazzo Medici. Dort könnt ihr Landino, Ficino, Poliziano und della Mirandola begegnen.«
Richard biß sich auf die Lippen. Vorlesungen waren eine Sache, Diskussionen eine andere. Er würde bald siebzehn werden und hatte nicht mehr die Unbefangenheit eines Kindes, sich an fremde Gelehrte zu wenden. Früher hatte er sich gedankenlos und ohne Rücksicht darauf, ob er eine Plage sein könnte, an Konrad Pantinger und jeden interessanten Menschen, der nach Augsburg kam, gewandt. Jetzt erschien ihm die Vorstellung, einfach so in ein fremdes Haus hereinzuplatzen, sich ungeladen an einen Tisch zu setzen und nach den berühmtesten Gelehrten Italiens zu fragen, unsagbar peinlich.
»Wenn Ihr«, kam sein Gegenüber ihm taktvoll entgegen, »Eure Kenntnisse vor den Vorlesungen und Disputen noch etwas auffrischen wollt, schlage ich Euch vor, das Kloster Santo Spirito zu besuchen. Die Bibliothek dort ist öffentlich und ausgezeichnet bestückt. Wartet«, er holte sich rasch etwas zu schreiben, »falls es Euch mit der platonischen Akademie Ernst ist … Das sind in etwa die Titel, die unsere Studenten gelesen haben sollten, bevor sie an den Philosophielektionen teilnehmen, die die Platoniker hier hin und wieder halten.«
»Ihr seid sehr freundlich, Messer«, murmelte Richard.
»Schon gut. Und vergeßt nicht, Ihr könnt hier keinerlei akademische Grade erwerben!«
Richard ließ sich noch den Weg zum Kloster beschreiben, dann beeilte er sich, um rechtzeitig wieder in dem Gebäude zurück zu sein, das die Gehilfen etwas spöttisch ebenfalls ›Fondaco dei Tedeschi‹ getauft hatten.
»Gelobt sei Gott, da kommt Ihr endlich«, begrüßte ihn Wolfgang Schmitz und schnitt eine Grimasse. »Ihr wißt doch, daß ich diese verflixte Sprache nicht so gut schreiben kann, und wir müssen die Rechnungen prüfen, die uns die Calimala geschickt haben. Übrigens, glaubt Ihr, daß Meister Eberding uns auch zu den geringeren Ständen mitnimmt?« Er seufzte andächtig. »Ich habe mich erkundigt – es gibt vierzehn, von den Metzgern abwärts über die Goldschmiede bis zu den Bäckern. Überlegt Euch das nur, Richard. Vierzehnmal freies Essen – ich finde es hervorragend, daß sie uns jedesmal einladen. Was für ein gastfreundliches Volk, das …«
»Und wo sind die Rechnungen?« kürzte Richard seinen Redestrom ab.
»Ihr versteht es wahrhaftig, mir das Leben schwerzumachen. Hier, bitte!«
Es war ein Samstag, als Richard sich auf den Weg nach Santo Spirito machen konnte. Er durchquerte den Mercato Vecchio und fand sich immer wieder abgelenkt von dem prächtigen Schauspiel, das seinen Augen geboten wurde. Der Mercato Vecchio war nicht groß, er wurde von vier Kirchen eingegrenzt, doch preßten sich hier die fliegenden Stände der Obsthändler, der Gemüseverkäufer vom Lande, der Kräuterhändler, die sich vorzugsweise mit den Barbieren und Seifensiedern zankten.
Diese beiden Berufsstände, die häufig nur einer waren, boten ihre Dienste nämlich unter freiem Himmel auf dem gleichen Platz an, und häufig machten das Duftwasser eines Barbiers und der durchdringende Geruch der Seifen es den Kräuterhändlern unmöglich, den frischen Geruch ihrer Waren richtig zur Geltung zu bringen.
Richard, den auf einmal die Neugier packte, entschloß sich spontan, sich von einem dieser Barbiere rasieren zu lassen. Bei seinen ersten Versuchen hatte er sich mehr als einmal geschnitten. Warum sollte man sich nicht einmal einen Barbier leisten!
»Setzt Euch, setzt Euch, mein Junge. Den Kopf zurück – ja, so ist es richtig! Tibaldo, du
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