Die Puppenspieler
beste, um den unerwünschten Mönch loszuwerden.
»Ich bin Kaufmann … Das heißt, ich werde dazu ausgebildet.«
Mario musterte ihn. »Lesen alle deutschen Kaufleute Abhandlungen über Theologie und, hm, Schwarze Magie?«
Er war angenehm überrascht, als der Deutsche schlagfertig versetzte: »Kaum. Das liegt daran, daß die Bücher nie zur Verfügung stehen, warum, weiß ich auch nicht. Viele müssen sich auf ›Il Milione‹ beschränken.«
Mario deutete mit der Hand einen Treffer an. »Gut. Kommt mit mir, ich glaube, da ist jemand, den Ihr gerne kennenlernen würdet … kein Mönch, wie ich Euch versichern möchte.«
Halb widerwillig, halb neugierig folgte ihm Richard. Dieser Speisesaal, ein großer, angenehm kühler Raum, erinnerte ihn mit seiner vergoldeten Wandtäfelung an das Kontor in Augsburg. Nur mit dem Unterschied, daß hier niemand von seiner Umgebung beeindruckt war. Alle schienen sich untereinander zu kennen, aßen, tranken, redeten und streiften so selbstverständlich umher, als sei dies ihr Zuhause. Mit einem Seitenblick konnte er beobachten, wie sich Eberding zu dem ebenfalls anwesenden Messer Ridolfi setzte.
Dann standen sie vor einem gutaussehenden hellhaarigen jungen Mann, und Fra Mario sagte mit der größten Selbstverständlichkeit: »Nun, das ist unser verehrter Pico della Mirandola. Pico, hier bringe ich dir einen wißbegierigen Tedesco, der zur Zeit die Bibliothek von Santo Spirito heimsucht. Euer Name, mein Freund?«
Richards Gedanken wirbelten durcheinander. Das war Pico? Dieser Jüngling? Er war so sehr auf einen würdigen Herrn in der Art Konrad Pantingers gefaßt gewesen, daß er einen Augenblick lang vergaß, daß er einem lange gesuchten Idol gegenüberstand. »Riccardo Artzt«, sagte er mechanisch.
»Ihr blickt drein, als stünde die Medusa vor Euch«, meinte Pico lächelnd.
»Verzeiht«, stammelte Richard und versuchte, sich zu sammeln, »es ist nur … Ihr seid noch so jung.«
Pico seufzte. »Ich weiß. Das höre ich, seit ich mit achtzehn begann, an der Universität von Florenz zu lehren.«
Etwas verspätet drang bei Richard die Begeisterung durch. »Ich habe mir schon immer gewünscht, Euch kennenzulernen, Messer«, sagte er atemlos. »Ihr seid der größte Gelehrte des Abendlands!«
Allmählich kam sein alter Drang, Fragen zu stellen, zurück. »Glaubt Ihr wirklich, daß man alle Philosophien und alle Religionen auf eine Urlehre zurückführen kann? Gibt es noch irgendwo Exemplare von Euren neunhundert Thesen? Und wie vereinbart Ihr die Haltung des Islams zur Dreifaltigkeit mit dem Christentum? Wie …«
Pico hob lachend die Hand. »Langsam!« sagte er. »Was meine Thesen betrifft, so darf ich Euch als Exkommunizierter selbstverständlich kein Exemplar übergeben, aber ich begehe keine Sünde, wenn ich Euch sage, daß Fra Mario eines besitzt«, fügte er verschmitzt hinzu. »Und wenn Ihr mit meinen Thesen vertraut seid, ohne daß ich sie Euch aufgedrängt hätte, dann kann man auch ohne weiteres darüber …«
»Pico«, rief ihn eine Stimme aus der Menge der Tafelnden. »Dieser Bologneser behauptet doch tatsächlich, daß Plato in Cathay gewesen sein muß! Komm her und widersprich ihm, sonst bleibe ich allein auf weiter Flur.«
»Gleich, Marsilio«, sagte della Mirandola und verabschiedete sich von Richard und Fra Mario. Die beiden schauten ihm nach.
»Es sieht so aus, als bliebet Ihr an mir hängen«, sagte Mario ein wenig spöttisch. Richards jahrelange Animosität Mönchen gegenüber war nicht so groß, daß er nicht erkannt hätte, wann er im Unrecht war.
»Ihr habt mir gerade einen sehr großen Gefallen getan«, gab er offen zurück. »Woher wußtet Ihr, daß ich Pico della Mirandola gerne kennenlernen wollte?«
»Ich hatte so eine Ahnung«, antwortete Mario verschmitzt, »aber abgesehen davon wollen das die meisten Besucher in Florenz.«
»Wie kommt es«, fragte Richard, »daß ein Diener Gottes sich mit dem Teufelswerk eines Exkommunizierten belastet?«
»Kein Mensch ist unfehlbar«, entgegnete Mario ruhig, »auch seine Heiligkeit der Papst nicht. Er hat üble Berater, die ihn zu schwerwiegenden Fehlern verleiten, und damit meine ich nicht nur Picos Exkommunikation. Seine erste Bulle, ›Summis desiderantes‹, wurde hier in Florenz sehr schlecht aufgenommen. Mein Prior meint, sie würde den Aberglauben nur fördern, und Angelo Poliziano hat eine äußerst kritische Schrift zu diesem Thema verfaßt.«
Mario verstummte plötzlich und musterte Richard
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