Die Puppenspieler
erfolgreiche Rebellion bedeuten würde?«
»Das Ende eines Tyrannen«, entgegnete Orlandini hitzig. Lorenzo schüttelte den Kopf. »Nein – Krieg und fremde Fürsten in Italien.« Die Umsitzenden starrten ihn verblüfft an. »Wie das?« fragte Orlandini irritiert.
»Ein Gelingen der Rebellion wäre schon ohne äußere Einflußnahme sehr zweifelhaft. Der Aufstand währt nun schon einen Monat, und Ferrante sitzt noch immer fest auf seinem Thron. Die Rebellen haben also nicht einmal mehr den Vorteil des Überraschungsangriffs. Angenommen, sie bekommen nun Unterstützung oder es gelingt ihnen auf sonst irgendeine Weise, Ferrante in ernste Bedrängnis zu bringen, dann wird Lodovico von Mailand sich nur zu gern auf den schwankenden Turm stürzen und sich, was er sonst nicht wagen würde, mit den Rebellen verbünden. Lodovico ist seinerseits durch Heirat mit dem deutschen König verwandt, der seit langem der Feind des französischen Königs ist. Wir alle wissen, daß die Franzosen schon immer ein Auge auf Italien geworfen haben, und sie vergessen nicht, wie ihr Charles von Anjou vor zweihundert Jahren Sizilien erobert hat. Dem jetzigen Charles von Frankreich sähe es nur zu ähnlich, Ferrante gegen eine vereinigte Front von Rebellen, Mailand und vielleicht noch dem deutschen König Maximilian zu Hilfe zu kommen, ihn anschließend mit Verträgen zu binden und schließlich, wenn Ferrante genügend geschwächt ist, selbst Anspruch auf Neapel zu erheben. Und dann tritt bestimmt der Habsburger auf den Plan, an der Seite des Mailänders. Womit wir einen Krieg nicht nur der Stadtstaaten untereinander, sondern auch noch des französischen gegen den deutschen König hätten.«
»Basta«, ächzte Soderini. »Das ist zu hoch für mich!« Orlandini dagegen fragte stirnrunzelnd: »Aber wie könnt Ihr sicher sein, daß es so kommt, Lorenzo?«
Il Magnifico fragte mit einem leichten Lächeln zurück: »Würde einer von euch die Gefahr eingehen wollen, noch einmal die Tedeschi oder die Franzosen im Land zu haben?«
Richard bemerkte, daß er immer noch ziemlich ziellos seine Gabel in der Hand hielt. Er war zu gefangengenommen gewesen, um darauf zu achten. Es war in der Stadt zwar schon bekannt, daß Lorenzo entschieden hatte, die neapolitanischen Rebellen nicht zu unterstützen, doch die Gründe und Perspektiven, die hier in einer Unterhaltung dargelegt wurden … Jakob würde das mehr als interessieren. Aber wie konnte das alles nur so offen besprochen werden?
»Fürchtet die, nun ja, Regierung hier keine Spione?« fragte er Fra Mario und empfand gleichzeitig Genugtuung darüber, die Frage nach seiner Haltung gegenüber der Kirche endgültig umgangen zu haben. »Es könnten doch Neapolitaner oder Anhänger des Franzosenkönigs hier an der Tafel sitzen.«
Der Mönch zuckte die Achseln. »Ganz gewiß tun sie das. Doch worüber hier geredet wird, ist kein eigentliches Geheimnis. Lorenzo würde es nie einfallen, geheime Beschlüsse hier auszubreiten, doch über Politik zu diskutieren, ist unter anderem ein hervorragendes Mittel, um herauszubekommen, was die Leute denken, die ihre Zunge weniger im Zaum halten – besonders in der zwanglosen Atmosphäre eines Mahls. Gespräche«, fügte er hinzu und verschränkte die Arme in einer leicht überlegenen Pose, »kann man gut in eine gewünschte Richtung steuern, nicht wahr, Riccardo?«
Richard wußte zum ersten Mal an diesem Abend nicht, was er sagen sollte, und war sich nicht sicher, ob er Belustigung oder Ärger empfand. Doch ein rettender Engel in der Person von Anton Eberding kam ihm unerwartet zu Hilfe. Mit einer Stimme, deren Empörung nur mühsam gedämpft war, machte sich der Augsburger bemerkbar.
»Wie wäre es«, fragte Anton Eberding unheilverkündend, »wenn Ihr Euch endlich dazu entschließen wolltet, zu bemerken, daß wir nur auf Euch warten, um aufzubrechen, Richard?«
Richard erhob sich zur Überraschung Eberdings sofort. »Lebt wohl … Padre.«
Der junge Priester nickte. »Bis bald … mein Sohn.«
20
E BERDING WAR IN DEN nächsten Tagen mehr als ungnädig gestimmt. Er hatte angeordnet, daß seine Gehilfen dicht bei ihm blieben, und Richards Eigenbrödelei faßte er als bewußte Provokation auf.
Eigentlich hatte Eberding geplant, Richard wegen seiner guten Sprachkenntnisse bei den täglichen Geschäften und Verhandlungen mit den Tuchhändlern einzusetzen; außerdem war er in Augsburg angewiesen worden, Richards Wissen über die Goldschmiedekunst entsprechend zu
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