Die Puppenspieler
aufmerksam. Hastig sagte Richard ablenkend: »Ich wäre Euch dankbar, Fra Mario, wenn Ihr mir etwas über die Gäste erzählen würdet. Hier könnte die Gelehrsamkeit ganz Italiens versammelt sein, und ich würde sie nicht erkennen!«
Er war erleichtert, als der Augustiner darauf einging und ihm zuallererst die vier Platoniker zeigte, von denen nur die beiden Alten, Marsilio Ficino und Cristoforo Landino, Richards Vorstellung von ehrwürdigen Doctores entsprachen.
»Ficino wurde von Cosimo de'Medici, Lorenzos Großvater, entdeckt und gefördert«, bemerkte Mario. »Er hat sowohl Cosimos Sohn Piero als auch Lorenzo und Giuliano erzogen.«
Von Giuliano hatte Richard gehört. Das war Lorenzos Bruder, der von einer rivalisierenden Familie, den Pazzi, ermordet worden war. Unter den Florentinern, die sie bisher besucht hatten, befand sich kaum einer, der nicht irgendwann traurig geseufzt hatte: »Ah, Giuliano!«
»War Giuliano de'Medici eigentlich auch an der Regierung von Florenz beteiligt?« fragte er. Mario schüttelte den Kopf.
»Nicht wirklich. Giuliano fehlte, was in den großen Familien sehr selten ist, jeglicher politischer Ehrgeiz. Er genoß einfach sein Leben, was ihm nicht schwerfiel, denn er sah wirklich aus wie ein junger Gott. Er war der letzte, der hier Turnierkämpfe abhielt, und Florenz liebte ihn sehr, wie einen Märchenhelden, was wahrscheinlich den Volkszorn bei seiner Ermordung erklärt.« Mario deutete auf einen dünnen, verschlossen dreinblickenden Jüngling. »Das ist Giulianos unehelicher Sohn Giulio. Nach Giulianos Ermordung nahm ihn Lorenzo zu sich.«
Mario zeigte ihm nacheinander die einzelnen Mitglieder der Familie Medici. »Das Mädchen dort drüben, das sich mit dem Jungen unterhält, ist Lorenzos einzige noch unverheiratete Tochter, Contessina, nachdem Maddalena im letzten Jahr mit dem Sohn des Papstes verheiratet wurde, um die Beziehungen zwischen Florenz und dem Vatikan zu verbessern.«
»Dem Sohn des Papstes?« wiederholte Richard, weniger verblüfft über die Tatsache an sich als über die Beiläufigkeit, mit der Mario es erwähnte. Er war gewiß der letzte, der Illusionen über die Tugendhaftigkeit gewisser Kirchenfürsten hegte, wenn er auch nie einen kennengelernt hatte, aber der Kardinal von Köln und der Fürstbischof von Bamberg machten sich wenigstens noch die Mühe, von Neffen und Nichten zu reden.
Daß es für die Italiener selbstverständlich war, wenn der höchste Priester der Kirche Nachkommen hatte, war ihm neu. Er überlegte, ob diese Unverfrorenheit, das Kind im doppelten Sinn des Wortes beim Namen zu nennen, nun größere Ehrlichkeit oder größere Korruption bewies. Doch diesem Mönch gegenüber wollte er sich keine Irritation anmerken lassen. Er nahm eine der Kirschen, die auf silbernen Schalen angeboten wurden, und hörte Fra Mario weiter zu. Inzwischen war es ihm nämlich in den Sinn gekommen, daß es nützlich sein könnte, sich mit dem Priester einigermaßen gut zu stellen. Denn wenn Fra Mario Zugang zu Picos verbotenen Schriften hatte, dann vielleicht auch zu anderen?
»Woher kennt Ihr eigentlich die einzelnen Medici so genau?« erkundigte er sich. Mario griff ebenfalls zu den Kirschen.
»Aber jeder in Florenz kennt die Medici«, entgegnete er leicht verwundert. »Im übrigen bin ich, wie Ihr gesehen habt, mit Pico befreundet – obwohl es ehrlich gesagt kaum einen Florentiner gibt, der das nicht ist.«
»Und der Mann, mit dem Lorenzo de'Medici da spricht, ist das auch ein Familienmitglied oder ein Gelehrter?«
Der Augustiner schüttelte den Kopf. »Nein, das ist Tommaso Soderini, ein Mitglied der Signoria. Il Magnifico bemüht sich, mit jedem seiner Gäste zu reden … Nun ja, mit fast jedem.«
Sie saßen in Hörweite, und Richard fiel einmal mehr die Selbstverständlichkeit auf, mit der alle Gesprächspartner, sogar sehr junge, die kaum älter waren als er selbst, den legendären Medici beim Vornamen nannten oder auch gelegentlich ›Magnifico‹. Sicher, im Hause Fugger sprach man auch vom König als ›Maximilian‹ oder ›Max‹, doch selbst Jakob wäre es nie in den Sinn gekommen, ihn anders als mit ›Euer Majestät‹ anzureden.
Mario wies ihn auf den kleinen, einem Gnom gleichenden Bildhauer Bertoldo hin, der den ›Garten der Medici‹, die von Lorenzo gegründete Schule für Bildhauer, leitete. Die Unterhaltung wandte sich den antiken Statuen zu, die man kürzlich bei Ausgrabungen gefunden hatte, und Richard entdeckte zu seiner
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