Die Puppenspieler
vermittelte, der einzige im Raum zu sein, konnten diese körperlichen Mängel kaum wettmachen, zumal Lorenzo auch eine scharfe, durchdringende Stimme besaß.
»Gott hat Lorenzo alles gegeben«, sagten die Florentiner, »aber die Mutter Natur hat es sich im letzten Augenblick anders überlegt.« Wenn Lorenzo die Menschen bezauberte – und die Reihe derer, die von ihm beeindruckt waren, reichte vom grausamen Ferrante in Neapel bis zu dem Gesandten des Großsultans, der erst kürzlich mit einigen seltsamen Tieren als Geschenk wiedergekommen war – dann gewiß nicht durch seine Schönheit.
Der Mann, der Pico jetzt zustimmte, galt allerdings allgemein als noch häßlicher. »In Frankreich und Spanien liegen die Dinge ganz anders«, sagte Angelo Poliziano. Klein, korpulent und verdächtig an einen der Wasserspeier an den gotischen Kathedralen gemahnend, wurde der berühmteste Dichter Italiens von den Toskanern mit dem gutmütigen Spott bedacht, er müsse immer zur Hand sein, um Lorenzo gutaussehend erscheinen zu lassen. Doch jeder bewunderte Polizianos Genie, das ihn in die Lage versetzte, seine Elegien in einem Griechisch und Latein zu schreiben, als sei er geborener Römer und Athener zugleich.
Es war Lorenzo gewesen, der ihn schließlich überredet hatte, wie er selbst auch in der Volgare zu dichten. Sie kannten sich seit ihrer frühen Jugend, Poliziano hatte Lorenzo nach dem Mord an dessen Bruder Giuliano das Leben gerettet, und mit der Vertrautheit dieser langjährigen Freundschaft erklärte er ein wenig herablassend:
»Schlag dir das mit dem vereinten Italien aus dem Kopf, Magnifico. In Frankreich gibt es nur eine Stadt, die wirklich zählt, und die wirkliches Selbstbewußtsein hat. Hier in Italien – o dio ! Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wie du Ferrante von Neapel und Lodovico von Mailand davon abhältst, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen, aber wenn ich mir vorstelle, daß Mailänder, Neapolitaner, Florentiner und am Ende auch noch die verdammten Römer sich zusammenschließen sollen …«
Er verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse. »Das wäre furchtbar, Lorenzo, das kannst du uns nicht antun. Freundlich zu einem Römer sein zu müssen!«
Lorenzo lachte. »Basta«, sagte er. »Gedanken und Wünsche sind zollfrei. Du träumst vom einheitlichen Versmaß, und ich träume von einem einheitlichen Italien.«
In dem darauffolgenden Gelächter entdeckte Pico Fra Mario, stand auf und gesellte sich zu dem jungen Augustiner. » Come va ?« fragte er freundlich.
»Non c'è male«, erwiderte Mario. »Was hat Piero?« Er deutete auf Lorenzos ältesten Sohn, der inmitten der fröhlichen Gesellschaft mit versteinerter Miene dasaß. Pico hob die Schultern.
»Piero ist sehr empfindlich. Wahrscheinlich war es Angelos Taktlosigkeit. Bedenke, Pieros Mutter war Römerin, und seine Gemahlin ist es auch … leider.«
Alfonsina Orsini, mit der der siebzehnjährige Piero de'Medici im letzten Jahr verheiratet worden war, konnte inzwischen die Ehre für sich in Anspruch nehmen, die unbeliebteste Person in Florenz zu sein. Sie spielte den ganzen Hochmut des römischen Adels aus, und das Verhalten Lorenzos, der seinen Kindern immer wieder einschärfte, sie sollten nie vergessen, daß die Medici keine Signori, sondern einfache Bürger von Florenz seien, blieb ihr unverständlich.
Mario wechselte schnell das Thema und plauderte gerade mit Pico über die Lehren der jüdischen Kabbala, mit denen der Gelehrte sich zur Zeit beschäftigte, als er einige neue Gäste eintreten sah, einen Mann von etwa vierzig, im gleichen Alter wie Lorenzo de'Medici und mehrere junge Leute, die ihn begleiteten. Sie unterschieden sich in der Kleidung kaum von den anderen Gästen; dennoch erkannte man sie fast sofort als Fremde. Marios Blick blieb an einem von ihnen hängen.
»Einen Moment, Pico.«
Er bahnte sich seinen Weg zu dem jungen Deutschen, der ihm in Santo Spirito begegnet war, und stellte belustigt fest, daß dieser, obwohl er zuerst unwillkürlich die Flucht ergreifen wollte, ihn diesmal mit so ausgesuchter Höflichkeit begrüßte, daß es fast schon einer Beleidigung gleichkam.
»So trifft man sich wieder«, sagte Fra Mario gutgelaunt. »Falls mich nicht alles täuscht, dann ist Euer Freund dort der Leiter des neuen Fondaco hier in Florenz. Arbeitet Ihr für ihn? Ich hätte Euch eigentlich für einen Studenten gehalten.«
Richard war entschlossen, sich diesmal nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Pure Höflichkeit war wohl das
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