Die Puppenspieler
Abstand der jüngste; außerdem zog er offensichtlich Universitäten und Bibliotheken dem guten Wein und Frauengesellschaft vor. Auch Wolfgang Schmitz zog sich immer mehr von ihm zurück.
Richard versetzte die vorsichtige, teilweise gar mißtrauische Zurückhaltung der anderen einen Stich, doch er unternahm keinen Versuch, etwas an der Situation zu ändern. Seine Aufgaben im Fondaco beschäftigten ihn voll und ganz, so daß es ihm entgegenkam, nicht darüber hinaus noch den frohgemuten Gesellschafter spielen zu müssen. Dennoch war er sich nicht ganz sicher, ob es nur das Sammeln von Information war, das ihn immer öfter in die belebten Handelshöfe und Tavernen von Florenz trieb.
Aufgrund seiner dunklen Haare und Augen fiel Richard nicht auf den ersten Blick als Fremder auf, und er bemühte sich ständig, seine Aussprache zu verbessern. Die Wirte fanden nichts weiter an dem schweigsamen jungen Mann, der nie sehr viel trank, stets gut zahlte und in der Regel nur aufmerksam zuhörte. Doch obwohl Richard hin und wieder auf wichtige Gesprächsfetzen stieß, wurde ihm schnell bewußt, daß sein Zeitaufwand in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Ergebnissen stand. Er mußte systematischer vorgehen.
Außerdem lag sein letzter Besuch in einer Bibliothek inzwischen auch schon Wochen zurück, und wenn er mit seiner Suche nach den Ursprüngen des Hexenglaubens weiterkommen wollte, konnte er sich es nicht leisten, endlos in den Schenken herumzusitzen und ziellos über die Märkte zu ziehen. Am redseligsten würden die Meister, Gesellen und Lehrlinge der Zünfte wohl sein, wenn der Wein ihre Zunge löste und sie sich nur untereinander wähnten. Jetzt, da die sommerlichen Tage immer heißer und länger wurden, war die Zeit der Zunftfeste gekommen, und Richard beschloß, dort sein Glück zu versuchen.
Es war ihm schon länger aufgefallen, daß die Frauen, die in den Schenken bedienten, kein sehr beneidenswertes Leben führten. Von Wirt und Gästen gleichermaßen angebrüllt, schienen die Hübscheren unter ihnen Freiwild für viele zu sein, wenn auch die Jüngeren häufig nicht abgeneigt waren, sich ihren Lohn auf diese Weise ein wenig aufzubessern. Richard vermutete, daß einige der Älteren oder Häßlichen gewiß jede Gelegenheit ergreifen würden, auf andere Weise zu Geld zu kommen. Er war überrascht, den Leiter des Fondaco ohne große Überredungskünste für seinen Plan gewinnen zu können.
»Ich nehme an, das gehört zu Euren ›weiteren Pflichten‹, von denen Herr Fugger in Augsburg sprach. Schön, Ihr bekommt das Geld, aber ich erwarte eine monatliche Aufstellung, aus der genau hervorgeht, welche Ausgaben Ihr wofür getätigt habt – und damit das klar ist, für Unterschlagungen habe ich kein Verständnis!« schloß Eberding in seinem gewohnt knurrigen Ton Richard gegenüber.
Er hatte es sich nicht verkneifen können, den an Richard gerichteten Brief zu öffnen und zu lesen, hatte auch die sechs als Symbol für den heiligen Augustinus identifiziert, doch da ihm der letzte Schlüssel fehlte, hatte er damit nichts weiter anfangen können und das löste in Eberding eine gewisse eifersüchtige Gereiztheit aus, deren er sich im Grunde schämte.
Mit einer gefüllten Börse machte sich Richard auf den Weg zu den in Frage kommenden Schenken, wo ihn die Wirte inzwischen kannten und kaum mehr als Fremden wahrnahmen. Das Mädchen, das ihn im ›Lachenden Bacchus‹ bediente, hatte er für seinen ersten Versuch auserkoren. Sie war nicht hübsch, wurde ständig herumgestoßen und strahlte die entsprechende Verbitterung aus.
Sie stellte den Most, nach dem er gerufen hatte, so heftig vor ihm ab, daß ein wenig auf Richards Wams schwappte. Ärgerlich biß sie sich auf die Lippen und murmelte eine Entschuldigung, wobei sie einen ängstlichen Blick in die Richtung des Wirtes warf.
»Das macht nichts«, beschwichtigte Richard, »bei dieser Hitze ist es sogar eine Wohltat. Gibt es heute abend etwas, das du mir empfehlen kannst?«
Er fragte sie das jedesmal, wenn er diese Taverne besuchte, meistens mit einem kleinen Scherz verbunden, und so fügte er auch heute hinzu: »Etwas, was mich nicht gleich wieder so durstig macht, daß ich hinterher euren ganzen Weinvorrat leere.«
Das Mädchen entspannte sich etwas und gab zurück: »Wir haben heute Kapaune vom Ponte Vecchio bekommen, und die Tagliatelle sind auch sehr gut.«
»Tagliatelle«, entschied Richard, denn die Teigwarengerichte, die er erst hier kennen- und liebengelernt
Weitere Kostenlose Bücher