Die Puppenspieler
ihm ermöglichten, während in ihm die Freude des Jägers brannte, der eine Fährte aufgespürt hatte. Die Magd zuckte mit den Achseln.
»Nichts weiter. Er hat Marcello geprügelt, bis ihm der Arm weich wurde und damit hat sich's.«
In ihren Augen glomm für einen Moment unverhüllter Haß, und sie legte unbewußt eine Hand auf ihre Wange. Jetzt fiel Richard auf, was er vorher nicht erkannt hatte; der dunkle Fleck, der wieder sichtbar wurde, als sie die Hand sinken ließ, war nicht Schmutz, wie er ursprünglich angenommen hatte, und jetzt bemerkte er eine Menge solcher Flecken auf ihren Armen.
»Er schlägt dich auch, nicht wahr?« fragte er leise.
Sie verschränkte die dünnen Arme ineinander, als wolle sie sich schützen und erwiderte wütend: »Das geht Euch nichts an! Wollt Ihr jetzt wissen, wann das Zunftfest ist oder nicht?«
Statt einer Antwort legte Richard zwei weitere Münzen auf den Tisch, doch während sie danach griff, sagte er impulsiv: »Ich könnte dir eine andere Stelle vermitteln, weißt du.«
Im Fondaco würde sich gewiß irgend etwas finden, da war er sicher. Das Mädchen schaute ihn mit einem Ausdruck aufrichtiger Überraschung nachdenklich an, dann verzog sie den Mund zu einem winzigen Lächeln.
»Das ist nett von Euch. Aber das braucht es jetzt nicht mehr. Ich habe jetzt nämlich Freunde, mächtige Freunde, und die werden dafür sorgen, daß ihm noch der Tag leid tut, an dem er zur Welt gekommen ist!«
In einem Ausbruch haßerfüllter Bösartigkeit fügte sie hinzu: »Und ich will dabei sein, wenn ihn der Teufel holt!«
Diesmal war es an Richard, zusammenzuzucken. Es war möglich, daß sie die Redewendungen nur gebrauchte, um dem Haß eines getretenen Hundes Ausdruck zu geben, den man einmal zu oft geprügelt hatte. Vielleicht handelte es sich auch nur um einen Wunschtraum. Aber was, wenn sie wirklich meinte, was sie da sagte, was, wenn er hier zufällig auf die Spur von Leuten gestoßen war, die sich als Hexen und Zauberer ausgaben, wie die seltsame weißhaarige Frau in Augsburg, zu der ihn Barbara geführt hatte!
Doch noch war es zu früh, um mit dem Mädchen auch über diese Dinge zu reden. Er hätte sie verscheucht. Also fragte er statt dessen sachlich: »Nun, wann findet das Zunftessen statt?«
»In zwei Wochen, am Dienstag.«
Sie teilte ihm noch flüsternd mit, um welche Zeit er kommen solle, dann verschwand sie im Gedränge der sich mehr und mehr füllenden Schenke. Richard blieb grübelnd zurück. Die Nachricht über die Calimala war es wert, nach Augsburg übermittelt zu werden, doch sollte er damit nicht warten, bis er mehr Informationen hatte? Und wie konnte er dem Mädchen gegenüber die Hexerei zur Sprache bringen?
Endlich entschied er sich, heute nicht mehr sein Glück mit derartigen Bestechungen zu versuchen und gab statt dessen endlich dem Wunsch nach, wieder die riesige Bibliothek von Santo Spirito zu besuchen. Er hatte das Gefühl, es sich verdient zu haben.
In der Bibliothek waren nur noch wenige Besucher, und die kühlen, weiten Räume übten wieder ihren beklemmenden Zauber auf Richard aus. Er fragte leise nach dem Dante-Kommentar von Cristoforo Landino.
Der Mönch zog die Stirn in bekümmerte Falten. »Es tut mir leid, aber Fra Mario …«
»… liest ihn gerade. Er ist ein schneller Leser«, vollendete Richard. Er machte sich auf die Suche nach dem jungen Mönch und fand ihn schließlich.
»Ich dachte, Ihr wäret bei Eurer Polo-Übersetzung!«
Fra Mario drehte sich um. »Aber das bin ich«, entgegnete er mit gespielter Entrüstung. »Wißt Ihr nicht, daß Dante für uns alle, die wir in der Volgare schreiben wollen, ein unentbehrliches Vorbild ist?«
Auf seinem Pult lagen tatsächlich noch einige andere Bücher und mehrere Blätter, auf denen in einer feinen, langgezogenen Schrift Notizen gemacht waren. Mario klopfte mit dem Zeigefinger auf eines der Bücher.
»Bitte, mein bretonischer Polo! Aber Ihr, Riccardo, was ist mit Euch? Ich dachte eigentlich, ich würde Euch öfter in der Bibliothek zu sehen bekommen. Ihr seid sehr nachlässig für einen Studenten … oder seid Ihr mir in den letzten Wochen ausgewichen?«
»Eitelkeit ist eine der sieben Todsünden, Fra Mario«, gab Richard liebenswürdig zurück. »Meine Abwesenheit hatte mit Euch nicht das geringste zu tun. Ich sagte Euch doch, ich bin kein Student, ich bin Kaufmann, und Kaufleute sind gelegentlich beschäftigt … wie Ihr vielleicht gehört habt.«
Mario begann, unter seinem Pult nach
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