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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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einzige, was ihm fehlte, war etwas Priesterliches. Ich beneide die Medici nicht. Wenn ich ihn öfter sehen müßte, würde ich freiwillig Savonarolas Anhänger.«
    »Warum bleibst du dann nicht fort und schreibst an deinem Buch weiter?«
    »Ich hoffe, du unterstellst mir keine vulgäre Neugier auf den Kardinalssohn bei Tisch«, entgegnete Richard und versuchte vergeblich, wie ein Märtyrer zu wirken, »mich treibt nur die Pflicht. Jakob Fugger rechnet so etwas unbedingt unter ›richtige Informationen‹.«
    Zur allgemeinen Überraschung entpuppte sich Cesare Borgia in der entspannten Atmosphäre eines Festessens als aufgeschlossen und äußerst umgänglich. Er schien seine Arroganz zusammen mit dem Reitzeug abgelegt zu haben, war von tadelloser Höflichkeit gegen seine Gastgeber und machte den Töchtern der Familien, die ihm vorgestellt wurden, den Hof. Die Damen, die sich vorgenommen hatten, äußerst kritisch zu sein – Rodrigo Borgias Ruf als Frauenheld war bekannt, doch die Anspruchslosigkeit der Römerinnen nicht minder –, mußten zugeben, daß der uneheliche Sohn dieses berüchtigten Kardinals auf gefährliche Weise gut aussah. Sein Körper war muskulös wie der eines Soldaten, und mit seinem rotbraunen Haar und dem klassischen Profil wirkte er eher venezianisch als spanisch, bis auf den dünnlippigen, klingenscharfen Mund.
    Er beherrschte die Klassiker so gut wie jeder der jüngeren Medici, doch was ihn deutlich mehr als die gelehrten Diskussionen reizte, waren die florentinischen Schönheiten, die durch die derzeitige Mode mit engen Miedern und hauchdünnen, oft durchsichtigen Stoffen, die direkt oben am Hals abschlossen, ihre Reize sehr frei entfalten konnten. Richard beobachtete aus einiger Entfernung, wie Cesare Borgia mit Maddalena Strozzi und einem Mitglied der Familie Pitti scherzte und dachte, daß selbst Hänsle, der in Venedig das Leben wahrlich genoß, besser für die kirchliche Laufbahn geeignet wäre. Andererseits – vielleicht kam es wirklich nicht mehr darauf an.
    Die Hauptgänge waren schon vorüber, als die Pagen einige Pflanzenkübel in die muschelförmige Nische rückten, die vorher von den Musikanten besetzt gewesen war, um so Platz für die neuen Darbietungen zu schaffen. Ein gellender Pfiff ertönte, und zum Klang der Nacchere stürmten die Zigeuner herein, allen voran Saviya.
    Richard hatte gerade eines der angebotenen Gebäckstücke genommen, und er vergaß für längere Zeit, daß er es noch in der Hand hielt, bis ihn ein Nachbar darauf aufmerksam machte. Er hatte Saviya noch nie so gesehen. Sie trug ein Kostüm aus schwarzem, anschmiegsamem Stoff, der mit silbernen Fäden durchwirkt war und sie wie ein Geschöpf der Nacht, in den Sternenhimmel gehüllt, wirken ließ. Noch nie hatte er eine Frau derart gekleidet und gleichzeitig so nackt erlebt. In ihm stieg der Wunsch auf, ihr sofort ein solches Auftreten zu verbieten, und er war ärgerlich über sich selbst. War er etwa ihr Vater?
    Saviyas Jonglieren mit den brennenden Fackeln, die ihr, eine nach der anderen, immer schneller und schneller, von ihren Helfern zugeworfen wurden, ließ bald jedes Gespräch verstummen. Sie drehte sich dabei um sich selbst, eine schwarze Nymphe, die von einer flirrenden Feueraureole umgeben wurde, bis man nicht einmal mehr sagen konnte, wie viele Fackeln es waren, die diesen Flammenkreis bildeten. Mit einem gewaltigen Trommelschlag endete Saviya. Sie tauchte die Fackeln in einen Wassereimer, der dafür bereitstand, drehte sich blitzschnell um und verschwand, ohne den stürmischen Beifall abzuwarten.
    Die Salti und Kraftakte der drei Männer, die ihrer Darbietung folgten, waren vergleichsweise entspannend, und in manchen Ecken begannen wieder leise Gespräche. Richard schüttelte den Kopf. Was hatte er nur? Es war eine hervorragende Leistung gewesen, weiter nichts. Wie schön für Saviya und ihre Freunde, in den Palazzo gebeten worden zu sein.
    Ein zweites Mal begannen die Nacchere, gleichmäßig zu klappern, diesmal aber deutlich langsamer. Die Akrobaten zogen sich Schritt für Schritt in den Hintergrund zurück, und mit jedem ihrer Schritte kam Saviya ein wenig nach vorne. Diesmal bedeckte sie ein Umhang, der von Kopf bis Fuß reichte – bis sie ihn, in der Mitte angelangt, abwarf. Ein allgemeines Aufseufzen war im Saal zu hören.
    Wieder war sie in Schwarz, doch nun trug sie ein Kleid, das nur noch aus lose zusammengeknüpften Tüchern bestand. Ihre Haut hob sich glatt und schimmernd gegen das

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