Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Schwarz ab. Saviya fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und begann zu tanzen. Sie tanzte für einen unsichtbaren Partner, umarmte ihn, umschlang ihn, entfloh ihm. In der Stille des Saals erklangen nur noch die fremdartigen Instrumente der Zigeuner. Jemand fing rhythmisch zu klatschen an, und als Richard, wie aus einem Traum gerissen, den Kopf wandte, sah er, daß es Cesare Borgia war.
    Die übrigen Zuschauer nahmen sein Klatschen auf, doch es war Cesare, der aufsprang, Cesare, der der zusammensinkenden Saviya seine goldene Kette zuwarf, Cesare, gegen den Richard jäh Mordgedanken empfand. Saviya atmete schwer, dann nahm sie sehr langsam die Kette auf und hängte sie sich um. Der junge Borgia winkte sie zu sich. Er sieht sie an, dachte Richard, und ballte die Faust zusammen, er sieht sie an, als würde er sie dabei entkleiden!
    Cesare beugte sich zu dem Zigeunermädchen, zog sie an sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Richard erhob sich langsam. Mittlerweile war es auch den übrigen Gästen aufgefallen, daß der künftige Kardinal mehr als begeistert von der Tänzerin war, und peinliches Schweigen machte sich breit. Lorenzo rettete die Situation, indem er laut sagte: »Das war wundervoll«, und Saviya eine kleine Geldbörse in die Hand drückte. Sie knickste und ging mit hoch erhobenem Kopf hinaus, gefolgt von den übrigen Zigeunern. Der Cardiere, ein Spaßmacher, der bei keinem Mahl fehlen durfte, begann, auf seiner Leier satirische Verse über den neuesten Klatsch und Tratsch zu improvisieren, doch Richard achtete nicht mehr darauf. Er folgte Saviya so schnell wie möglich.
    In der Vorhalle mit ihren riesigen Säulen holte er sie schließlich ein. »Was, zum Teufel«, sagte er wütend, »hast du dir dabei gedacht?«
    Saviya lächelte süß. »Hat dir mein Tanz nicht gefallen, Riccardo? Oder vielleicht mein Jonglieren? Anderen hat es gefallen.«
    Richard hielt sie fest. »Das war kein Tanz mehr, sondern …«
    »Sondern was?«
    Ihre Stimme wurde hart. Einer ihrer Begleiter, den Richard vage als ›Zindelo‹ in Erinnerung hatte, warf ein: »Ach, laß nur, Riccardo, wir hatten doch großen Erfolg.«
    Richard achtete nicht auf ihn. »Ist dir eigentlich klar«, sagte er zornbebend, »wer dieser Mann war, dem du dich da an den Hals geworfen hast?«
    »Er hat sich mir an den Hals geworfen«, gab Saviya freundlieh zurück. »Und ich brauche nicht zu wissen, wer er ist, weil ich genau sehe, was er ist – ein Mann nämlich, mehr als du es jemals sein wirst. Geh zurück zu deinem Mönch, Riccardo, geh in eines von euren christlichen Klöstern, da gehörst du hin.«
    Er bewegte sich nicht. Mit einem Mal völlig kalt, entgegnete er: »Dein Mann ist der Bischof von Pamplona, und er reist bald wieder ab – und du hoffentlich auch. Wenn ich um etwas bete, dann darum, dir nie wieder zu begegnen, Saviya!«

25
    L ORENZOS V ORSCHLAG , eine Predigt des hochlöblichen Fra Savonarola zu besuchen, war durchaus mit Berechnung vorgebracht. Es konnte Cesare Borgia nicht schaden, einige Dinge zu hören, die ihm sonst nie jemand sagen würde. Savonarola würde gerade vor einem Borgia nicht mit Anklagen sparen. Lorenzo war nicht nachtragend, doch er hatte sich in letzter Zeit genügend von dem fanatischen Prediger anhören müssen, um jetzt nicht gerne einmal ein anderes Opfer zu beobachten.
    Also besuchten die Medici, von Lorenzo bis zu seinem jüngsten Sohn, dem zehnjährigen Giuliano, mit ihrem Gast das Kloster San Marco. Savonarola hatte aus diesem Anlaß neben seiner gewohnten Anhängerschaft nun auch die Müßiggänger zu seinen Füßen, die auf einen gehörigen Skandal hofften. Er enttäuschte sie nicht.
    Savonarola begann mit Christus, der die Wucherer aus dem Tempel trieb, und sprang ohne Umschweife auf die Gegenwart über. »Hört, was da geschrieben steht: ›Gesegnet das Haus, das eine fette Pfründe hat!‹ Aber eine Zeit wird kommen, da gesagt werden wird: ›Wehe jenem Haus!‹ Ihr werdet die Klinge des Schwertes auf euch fühlen. Einst schämtet ihr euch noch eurer Sünden, einst hatten die Priester zumindest noch den Anstand, ihre Sprößlinge Neffen zu nennen. Jetzt machen sie sich nicht mehr diese Umstände. ›Ich will auf euch herabfahren in eurer Verworfenheit und Bosheit‹, spricht der Herr, ›auf eure Kebsweiber und Paläste!‹«
    Manch einer der Gemeinde warf heimlich einen Blick auf die Bank der Medici, um zu sehen, wie der Sohn des Kardinals Borgia darauf reagierte. Sie wurden enttäuscht. Er

Weitere Kostenlose Bücher