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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Grundsätze. Und nun rate, was Savonarola antwortete.«
    »Nach seiner Predigt«, entgegnete Richard, »kann ich es mir sinngemäß vorstellen.«
    Ein Funke Erheiterung in Marios blauen Augen gab dem Mönch seine gewohnte Vitalität zurück. »Nein, es war noch unglaublicher. Unser Bruder von den domini canes sagte wörtlich: ›Lorenzos einzige Hoffnung besteht darin, seine Sünden zu bereuen, denn der Herr schont niemanden und fürchtet nicht die Fürsten dieser Erde. Zwar bin ich ein Fremder, und Lorenzo ist der erste Bürger, aber ich muß hier bleiben, und er muß gehen.‹«
    Richard stieß einen tonlosen Pfiff aus. »Oh.«
    »Ja. Und der arme Pico weiß nicht, was er tun soll. Er hat den Einfall mit Savonarola gehabt, und er ist auch jetzt noch von dem Mann begeistert, aber er ist auch Lorenzos Freund. Die letzten Treffen der Platonischen Akademie waren nicht gerade erbauend.«
    Richard kam in den Sinn, daß die ganze Geschichte doch sehr, sehr bezeichnend für Florenz war. Er versuchte, sich einen deutschen Mönch vorzustellen, der mit Staatsoberhäuptern und Kirchenfürsten so umsprang, und konnte es nicht. Auch in den anderen italienischen Stadtstaaten wäre ein Savonarola wohl längst verbannt worden oder auf dem Scheiterhaufen gelandet – oder doch nicht? »Und was hat Lorenzo jetzt vor?« fragte er laut.
    Mario zuckte die Achseln. »Was soll er machen? Savonarola den Mund zu verbieten, wäre despotisch, und eine Einigung scheint nicht möglich. Er wird ihn weiter predigen lassen und hoffen, daß der Mann entweder seine Lust an Angriffen auf die Medici verliert oder das Volk sein Interesse an ihm.«
    »Und wenn …«
    »Wenn Fra Savonarola tatsächlich zum Umsturz aufruft, statt nur zur Buße? Ich glaube nicht, daß die Bürger ihm dann folgen werden. Lorenzo regiert schon über zwanzig Jahre, er hat mehr für uns getan als jeder andere, und das Volk liebt ihn. Ich glaube auch nicht, daß Savonarola so weit gehen würde. Aber er hat einen Spalt in unser Denken und Fühlen getrieben, das ist es, was mir Sorge macht.«
    Richard schaute versonnen auf den Innenhof hinunter, wo der Springbrunnen in immer neuen Wasserkaskaden seinen vergeblichen Kampf gegen die flirrende Hitze ausfocht. Mit einem Mal fiel ihm etwas ein, und er wandte sich beunruhigt an Mario.
    »Hat sich Savonarola eigentlich auch gegen fahrende Schausteller ausgesprochen?«
    »Gewiß, er hat sie zusammen mit den Spielleuten und den Künstlern verdammt – hat gesagt, daß Lieder, Gemälde, Bildwerke und so weiter einzig dem Ruhme Gottes dienen sollten, aber warum …«
    Richard suchte nach seinem Barett und seinem Mantel. »Mario«, sagte er eindringlich, »ich mache mir Sorgen um … ein paar Freunde von mir. Könntest du mich begleiten?«
    Die Gaukler, die Florenz von Zeit zu Zeit besuchten, wurden traditionellerweise am jenseitigen Arnoufer untergebracht. Während sie über den Ponte alle Grazie eilten, faßte Richard für Mario die wichtigsten Gegebenheiten zusammen. Der junge Augustiner stieß ihn zwischen die Rippen und meinte mit einem Augenzwinkern: »Und ich dachte schon, du hast wieder ein paar Hexen aufgetrieben, Riccardo – du hast ein Talent, mich in Angst und Schrecken zu versetzen.«
    Der Wagen der Zigeuner kam in Sicht, und wie Richard befürchtet hatte, hatte sich bereits eine größere Menschenmenge angesammelt. Es waren beileibe nicht nur Neugierige, die den nächsten Auftritt der Schausteller nicht mehr erwarten konnten. Das Gemurmel klang eher feindselig. Bald gelang es ihnen, einzelne Wortfetzen auszumachen.
    »… am heiligen Sonntag … gottlos … Fra Savonarola hat gesagt … weltliche Eitelkeit … heidnische Späße …«
    Die Zigeuner hatten sich ebenfalls zusammengerottet und starrten nicht minder feindselig zurück. Mit ihrer dunklen Haut und der merkwürdigen Kleidung wirkten sie selbst im farbenprächtigen Florenz ungeheuer fremdartig. Eine Frau rief furchtlos zurück: »Was ist los? Seid ihr nicht auf eure Kosten gekommen? Habt ihr uns nicht gestern noch Beifall geklatscht?«
    Wenn eine streitlustige Menge an einem heißen Tag eines nicht hören wollte, dann waren es Vorwürfe. Das Geraune wurde heftiger, löste sich in Einzelstimmen auf, und Beschuldigungen flogen hin und her.
    »Diebsgesindel!«
    »Gorgios!«
    »Teufelsbrut!«
    »Dummköpfe!«
    »Sollen wir uns das gefallen lassen?«
    Jemand warf den ersten Stein, doch inzwischen hatten Richard und Mario den Ort des Geschehens erreicht. Richard schrie, so

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