Die Puppenspieler
älteste Sohn des Kardinals Rodrigo Borgia: Cesare.«
Papst Innozenz VIII. war immer kränklich gewesen, doch nun verfiel seine Gesundheit zusehends, und die Spekulationen über seinen Nachfolger schlugen immer höhere Wellen. Kardinal Giuliano della Rovere? Kardinal Rodrigo Borgia? Diese beiden waren die Mächtigsten, und beide bemühten sich jetzt schon, Stimmen zu sammeln – und einflußreiche Freunde. Giuliano della Rovere war der engste Vertraute des jetzigen Papstes, doch Rodrigo Borgia war Vizekanzler für drei frühere Päpste gewesen und hatte seine herausragenden Fähigkeiten als Verwalter bewiesen. Er war sehr reich und hatte zumindest eines mit Innozenz VIII. gemein, der ihm ansonsten eher mißtraute: Beide trieben geradezu einen Kult mit ihren Kindern.
Cesare Borgia, der älteste von drei Söhnen und einer Tochter, die Rodrigo anerkannt hatte, war ebenso wie Giovanni de'Medici für den Kardinalshut bestimmt. Beiden war eine sorgfältige Erziehung zuteil geworden, beide hatten schon in jungen Jahren Zugang zu den besten theologischen Universitäten gefunden. Doch während Giovannis Studium und seine Anwartschaft auf das Kardinalsamt von dem Vermögen der Medici finanziert wurde, waren Cesare Borgia durch den Einfluß seines Vaters schon vor seinem zehnten Lebensjahr Pfründen in Aragon und Italien zugeschanzt worden, die mindestens zwei Äbte zufriedengestellt hätten. Als er von der Universität von Perugia nach Pisa wechselte, war er gerade achtzehn Jahre alt und Bischof von Pamplona geworden.
Giovanni de'Medici war fünfzehn und hatte von seinem Vater genaue Anweisungen über den Umgang mit Cesare erhalten: Er sollte höflich, aber nie vertraulich sein. Lorenzo hegte keine persönliche Antipathie gegen Rodrigo Borgia, doch er hielt ihn nicht für das Amt des Papstes geeignet. Daß der zunächst ebenfalls sehr zurückhaltende Cesare Giovanni plötzlich mit Gefälligkeiten und Geschenken überhäufte, bis eine Einladung nach Florenz nahezu unumgänglich war, konnte man als einen eindeutigen Eröffnungszug Borgias werten. Er kam zu einem ungelegenen Zeitpunkt.
»Die Wetten auf das Thema von Savonarolas nächster Predigt stehen beinahe eins zu eins«, sagte Angelo Poliziano, der zynische Dichter, zu Lorenzo. »Wen haßt er mehr, dich oder Rodrigo Borgia? Für wen wird er mehr Schimpfworte finden, wen wird er weiter verdammen? Was meinst du, Magnifico?«
»Savonarola ist ein Mann mit Prioritäten. Er hat sich eine Reihenfolge gesetzt. Und ich habe die zweifelhafte Ehre, noch vor dem Katalanen auf der Liste zu stehen.«
Da andererseits auch nicht ausgeschlossen werden konnte, daß Rodrigo Borgia Giuliano della Rovere bei dem Wettrennen auf den Heiligen Stuhl schlug, war eine sehr behutsame Taktik gefragt. Der junge Borgia sollte in allen Ehren und mit genügend Pomp empfangen werden, um florentinische Gastfreundschaft und Stärke zu demonstrieren, andererseits konnte eine flammende Predigt von Fra Savonarola vielleicht sogar dazu genutzt werden, die Borgia auf den Boden der Tatsachen herunterzuholen. Die Medici hatten es nicht nötig, sich bei den Borgia anzubiedern.
Als Giovanni de'Medici und sein Mitstudent in Florenz eintrafen, stellten die Florentiner fest, daß der Prunk des Empfangs von dem Auftreten des Gastes noch überboten wurde. Der achtzehnjährige Cesare Borgia saß auf seinem Araberhengst wie ein römischer Triumphator. Ihm zur Seite ritten in Gold und Rot gekleidete Gefolgsleute, die das Banner der Borgia trugen: ein roter Stier. Falkeniere, Soldaten und Schatzbeamte folgten, jeder mit einem Ornat ausstaffiert, wie es nur bei den wohlhabendsten Familien in Florenz üblich war. Giovanni, der selbst nicht gerade ärmlich reiste, verschwand neben dieser Pracht fast völlig.
»Geschmacklosigkeit«, kommentierte der älteste der Medici-Söhne, Piero, ärgerlich, während die Familie den Einzug vom Palazzo in der Via Larga aus beobachtete.
»Unsicherheit«, erwiderte sein Vater und musterte den jugendlichen Bischof von Pamplona, der sich sehr gerade hielt, den Blick starr auf die Straße vor ihm gerichtet. »Die Borgia sind nun schon Jahrzehnte im Land, und die Kinder des Kardinals sind alle hier geboren, doch keiner von ihnen wird jemals vergessen, daß man sie immer noch als Fremde ansieht.«
Man hatte Richard zu dem Festessen für Cesare Borgia eingeladen, doch ihm fehlte jede Begeisterung dafür. »Mir hat der Einzug schon genügt«, sagte er mit einer Grimasse zu Mario. »Das
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