Die Puppenspieler
es in den Sinn, einfach eine neue Reise zu machen und aus Florenz zu verschwinden. Eberding schuldete ihm ohnehin noch ein paar freie Tage. Aber dann erkannte er, daß er damit nur das tun würde, was Saviya ihm vorgeworfen hatte: davonlaufen. Schließlich entschied er, noch einmal mit ihr zu sprechen.
Er fand die Zigeuner bereits im Aufbruch. »Seid Ihr denn nach Eurem Erfolg nicht in jedem Palazzo gefragt?« erkundigte er sich verwundert.
Der Woiwode, der ihn freundlich begrüßt hatte, zuckte die Achseln. »Gewiß, aber wir müssen weiter. Keine Stadt ist länger zu ertragen, nicht für uns. Außerdem hat uns der junge Raja nach Rom eingeladen.«
»Wer?«
Der Woiwode wurde deutlicher, und Richard rang um Selbstbeherrschung. »Wo ist Saviya?«
»In der Stadt, mit Nauka, um noch ein paar Dinge zu besorgen, die wir brauchen. Laß mich überlegen, poschrat … Sagte sie nicht, sie wolle sich von dir verabschieden, in deinem Haus mit den vielen Waren?« Der Woiwode lächelte unergründlich und fügte hinzu: »Wir reisen übermorgen, Riccardo.«
Richard eilte im Laufschritt zum Fondaco zurück, um dort von einem breit grinsenden Wolfgang Schmitz empfangen zu werden. »Ihr habt Besuch in Eurer Kammer. Keine Sorge, Eberding ist nicht hier, der wird nichts merken.«
»Es handelt sich nicht um die Art von Besuch«, entgegnete Richard verärgert und hastete die Treppen hoch.
Schmitz rief ihm nach: »Aber natürlich!«
Saviya stand an einem Fenster, als er eintrat. Er öffnete den Mund, doch sie drehte sich um und begann sofort zu sprechen: »Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, daß ich die Stadt verlasse. Dann wirst du mich nie wiedersehen, Riccardo, ganz wie du es wolltest und wie ich es mir schon in Bozen gewünscht habe!«
In ihrer Stimme lag eine Mischung aus Auflehnung und Herausforderung, die Richard sofort allen guten Vorsätzen zum Trotz aufgriff. »Damals hielt ich dich nur für launisch«, erwiderte er scharf, »aber inzwischen mußte ich feststellen, daß du auch noch maßlos dumm bist. Ihr geht nach Rom, nicht wahr, und du glaubst selbstverständlich, dieser spanische Bastard hat euch nur eingeladen, weil du ihm gefallen hast!«
Saviya verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Ja, das glaube ich, und zwar deswegen, weil er nicht nur einen Diener zu dem Woiwoden geschickt hat, sondern auch einen zu mir.« Sie dehnte und reckte sich ein wenig. »Er hat mir noch mehr Geschenke gemacht.«
In zwei Schritten war Richard bei ihr, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Bist du völlig verrückt geworden? Willst du dich unbedingt verkaufen an jemanden, der dich bald wieder wegwerfen wird wie getragene Kleider? Willst du für so einen zur Hure werden?«
Saviya riß sich los. »Du bist so ungeheuer selbstgerecht, Riccardo, daß es zum Himmel stinkt! Vielleicht hast du vergessen, was ich dir einmal gesagt habe, aber ich nicht! Ich bin nicht damit zufrieden, für immer wie eine Aussätzige auf der Landstraße umherzuziehen, ich nicht! Du, du hast alles, was du dir wünschst an Kleidung, an Reichtum, an Büchern. Ich habe kein Geld, aber dieser Mann hat es, und er wird mir davon geben, und dann werde ich lernen können, was in deinen Büchern steht, dann werde ich reich und glücklich sein, und niemand wird es mehr wagen, mit Steinen nach mir zu werfen oder den Meinen auch nur ein Haar zu krümmen!«
Richard sah sie an und ließ ihre Worte in sich sinken. »Aber doch nicht so«, sagte er leise, »nicht so, Saviya.«
»Nein? Hast du einen anderen Vorschlag für eine Zigeunerin?«
Zorn kroch in ihm hoch. »Du nimmst das alles doch nur als Vorwand, weil du in Cesare Borgia vernarrt bist?«
In Saviyas Augen blitzte etwas auf, dann entgegnete sie, mit einem Mal träumerisch: »Cesare? Ist das sein Name? Ein mächtiger Name … Cesare.«
»Du wirst nicht gehen«, sagte er sehr ruhig.
»Und wer wird mich daran hindern?«
»Ich werde es.«
Er küßte sie auf den Mund, zuerst weich, dann immer heftiger mit all dem Hunger, den er sich so lange nicht hatte eingestehen wollen. Aber daran dachte er nicht, er dachte überhaupt nicht mehr, denn Saviya gab ihm ihre Lippen, erwiderte seinen Kuß voller Leidenschaft. Und all die Türen, die er immer geschlossen geglaubt hatte, öffneten sich.
Die Nachmittagssonne fiel durch das Fenster, streifte den Steinfußboden, Papiere, Kleidungsstücke und ließ Saviyas Haut wie dunkle Seide erglänzen.
»Ich liebe dich, Riccardo«, flüsterte sie, »ich habe dich
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