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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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beobachtete Fra Savonarola sehr aufmerksam, doch aus seiner Miene ließ sich so wenig ablesen wie am Tag seiner Ankunft. Nur einmal zeigte er eine flüchtige Regung, als Savonarola von ›Marrani und Huren‹ inmitten des Vatikans sprach.
    Als ›Marrani‹ wurden die bekehrten Abkömmlinge der spanischen Juden bezeichnet, und für einen Spanier gab es keine tödlichere Beleidigung. Einen Moment lang dachten die entzückten Florentiner, der Borgia würde aufspringen und vor Savonarola seine Beherrschung verlieren, doch er entspannte sich wieder, zumal der Dominikaner schon zu einem anderen Thema überging.
    In keiner Predigt verzichtete Savonarola auf einen Angriff auf Lorenzo de'Medici, und er folgte seinem Konzept auch diesmal.
    »Schlimmer aber noch als jene, die den Mammon anbeten, wo sie Gott anbeten sollen, ist der Tyrann, der sich selbst anbetet, der versucht, die Schamlosigkeit des Heidentums an die Stelle der Lehren Gottes zu setzen! Hüte dich, Florenz, damit du nicht wirst wie er, eine Diebeshöhle, ein Ort der Verworfenheit und des Lasters!«
    Fra Savonarola war kaum aus dem Kirchenschiff gerauscht, als sich Cesare Borgia an Lorenzo wandte und ohne mit der Wimper zu zucken laut und deutlich meinte: »Hervorragender Prediger. Aber warum zum Teufel habt Ihr ihn nicht schon längst umbringen lassen und ihn Euch so vom Hals geschafft?«
    Eine Sekunde lang wirkte der Schock, dann begannen alle, die diese Bemerkung gehört hatten, durcheinanderzusprechen. Piero de'Medici stieß empört hervor: »Mein Vater läßt keine Leute umbringen.« Giovanni war entsetzt: »Einen Priester?«, und Giovanni Vera, ein Gelehrter, den Kardinal Borgia seinem Sohn als Präzeptor und ständigen Begleiter mitgegeben hatte, versuchte, die Äußerung seines Schülers mit einem »Ihr solltet nicht auf diese Art scherzen, Monsignore«, wiedergutzumachen.
    Cesare erklärte unbeeindruckt, noch immer an Lorenzo gewandt: »Ihr seid einer der mächtigsten Männer Italiens, Ihr müßt doch wissen, daß der Mönch dort eine Gefahr für Euch darstellt. Gefahren muß man so schnell wie möglich im Keim ersticken.«
    Lorenzo erwiderte gedehnt: »Durch einen Mord würde ich ihn nicht loswerden. Ich würde ihn unsterblich machen und mich zum Verbrecher, der vor ihm Angst hatte. Laßt Euch das als freundschaftlichen Rat mitgeben, Cesare, Morde beweisen nur, daß man nicht klug oder nicht gelassen genug für eine andere Lösung war.«
    Inzwischen hatte sich ein Kreis um die Medici gebildet. Verschiedene Gemeindemitglieder, die eigentlich Savonarola folgen wollten, in der Hoffnung, noch einen Segen von ihm zu erhaschen, waren stehengeblieben, zurückgekehrt und tuschelten jetzt eifrig untereinander. Cesares Blick schweifte über ihre Köpfe hinweg, dann sagte er spöttisch: »Aber selbstverständlich, Messer. Gehen wir? Ich glaube, die Messe ist beendet.«
    Nachdem er ein paar Tage lang unansprechbar gewesen war – »Ist wieder eine Beichte fällig, Riccardo?« hatte Mario gefragt – und Saviya auf verschiedene Arten zum Teufel gewünscht hatte, begann Richard, sich mehr und mehr wie ein Narr zu fühlen. Warum nur hatte ihn die ganze Angelegenheit nur derart aufgebracht? Sie hatte einmal »Ich liebe dich« zu ihm gesagt, gut, aber das war im Grunde die Schwärmerei eines Kindes gewesen, genau wie diese eine Nacht vor Florenz. Und wenn sie sich von einer goldenen Kette und ein paar gönnerhaften Worten beeindrucken ließ – was machte das ihm aus, was ging ihn das an? Es war ihr Leben.
    Denn er war der einzige, der erkannte, daß sie trotz ihres Äußeren noch ein Kind war – ein sehr launisches Kind, denn warum sonst hatte sich ihre Haltung ihm gegenüber in Florenz so verändert? Und ein Kind, für das er sich irgendwie verantwortlich fühlte.
    Aber die Blicke zwischen Saviya und diesem Kardinalsanwärter waren ganz und gar nicht kindlich gewesen.
    Richard ging seinen täglichen Aufgaben im Fondaco derart unkonzentriert nach, daß er sich den Tadel Eberdings einhandelte.
    »Ich weiß nicht, was er hat«, sagte der Leiter des Fondaco später irritiert. »Er war zwar immer irgendwie eingebildet, aber gearbeitet hat er hervorragend, das muß man ihm lassen.«
    »Mein Gott, das ist doch sehr einfach«, antwortete sein italienischer Schreiber. »Ihn hat der Blitz getroffen.«
    »Was?«
    » Amore , Messer, amore !«
    »Blödsinn. Richard Artzt? Der geht doch höchstens mit Forellen ins Bett, bei dem Fischblut, das er bisher gezeigt hat.«
    Richard kam

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