Die Puppenspieler
jäh wieder bewußt, daß er ein Mitglied der heiligen Inquisition vor sich hatte, und er verzichtete lieber darauf, noch einmal zu widersprechen. Schließlich, so tröstete er sich, war er der Richter, und bei ihm lag die Entscheidung. Mochte Bruder Heinrich nur die Fragen stellen. Außerdem hatte der Dominikaner recht. Er hatte wirklich noch kein derartiges Verhör geführt.
Der Knecht, der Zobeida die Vorladung überbrachte, fiel ihr durch seine neugierigen und unruhigen Blicke auf. Sie war ein wenig ärgerlich, denn an diesem Samstag warteten keine Patienten auf sie, und sie hätte ihn ganz mit ihrem Sohn verbringen können; überdies wußte sie noch nicht einmal, was der Richter von ihr wollte. Sie zerbrach sich den Kopf, doch ihr fiel auch kein Mensch ein, den sie pflegte und der vielleicht einen Prozeß am Hals hatte.
»Worum geht es eigentlich?« fragte sie den Mann, den der Richter zu ihr geschickt hatte.
»Weiß nich«, murmelte er undeutlich. »Geheime Sache. Darf nich drüber reden und weiß auch nich viel.«
Zobeida zuckte die Achseln, legte sich einen Umhang um die Schulter und folgte ihm.
Des Richters Amtszimmer war klein, in der Ecke loderte ein gemütliches Feuer, und die ganze Stube strahlte Ordnung und Sauberkeit aus. Selbst die Papiere auf Rainer Wassermanns Tisch, auf denen die noch kaum getrocknete Tinte glänzte, waren sorgsam gestapelt.
Der Richter selbst zerrte allerdings unbehaglich am Kragen seines Wamses, die zwei Männer vom Stadtrat, die neben ihm saßen, blickten sie mit demselben merkwürdigen Gesichtsausdruck an wie der Knecht, und der Stadtschreiber, der gleichzeitig auch den Beruf des Notars versah, räusperte sich bei ihrem Eintreten. Die Gestalt des Inquisitors löste sich aus einer dunklen Ecke des Raumes. Unbewußt ballte Zobeida die Hände zusammen. Der Frater wirkte freundlich und gütig, wie vor seiner Predigt, der sie beigewohnt hatte, doch sie hatte nicht vergessen, wie schnell er sich zu einem feuerspeienden Geißler der Menschheit verwandelt hatte. Nein, berichtigte sie sich in Gedanken, nicht der Menschheit, der Frauen. Überdies löste die Kutte der Dominikaner bei ihr instinktive Furcht aus.
In ihrer Kindheit hatte man sie gelehrt, daß von allen christlichen Orden die Dominikaner die Schlimmsten waren. Ein Vetter ihres Vaters, der aus Granada stammte, dem letzten spanischen Emirat, hatte in ihrem Beisein einmal düster erklärt: »Früher gab es die Tempelritter, gut und schön. Das waren wenigstens Kämpfer. Und diese Mönche in den braunen Kutten, die Franziskaner, das sind ein Häufchen rührender Narren. Aber hütet euch vor den Teufeln in den schwarzen und weißen Gewändern!«
Zobeida biß sich auf die Lippen und zwang sich, den Inquisitor anzulächeln. Ein Dominikaner konnte nicht schlimmer sein als der Sklavenaufseher, und sie war nicht länger eine Sklavin. Was es an Schrecken auch geben mochte, hatte sie hinter sich. Jetzt war sie eine freie und geachtete Bürgerin.
»Nun, Frau Artzt, seid gegrüßt«, sagte der Richter hastig und sah hilfesuchend den Inquisitor an.
Bruder Heinrich wandte sich an Zobeida. »Setzt Euch dort auf den Schemel, meine Tochter.« Zobeida kam der Aufforderung nach und erkundigte sich dann, weswegen man sie hergeholt habe.
»Um ein paar Fragen zu beantworten«, sagte Heinrich Institoris höflich. »Doch«, er trat näher und reichte ihr ein schweres Buch, »schwört zuerst auf die vier Evangelien, die Wahrheit für Euch und andere zu sagen.«
Das war ein üblicher Eid, und sie wiederholte ihren Schwur noch dreimal, jeweils mit der Hand auf einem der Evangelien.
»Woher kommt Ihr, wo seid Ihr geboren, wer sind Eure Eltern und wo befinden sie sich?«
Die Antworten, die Zobeida gab, beunruhigten alle Anwesenden, denn es fielen einige fremdartige Namen. Der einzige, der vertraut klang, war ihr Taufort. Der Notar gab sich redlich Mühe, die arabischen Namen niederzuschreiben, und mußte sich schließlich von dem etwas ungehaltenen Inquisitor helfen lassen.
Doch Bruder Heinrich war wieder die Freundlichkeit selbst, als er sich an Zobeida wandte: »Ist irgend jemand in Eurer Verwandtschaft je verbrannt worden?«
»Der Vater meines Vaters starb an der Pest«, entgegnete Zobeida verwundert, »und natürlich wurde er verbrannt.«
Der Inquisitor machte eine ungeduldige Handbewegung. »Keine Leichenverbrennungen«, sagte er kurz. »Habt Ihr in Eurer Heimat je von Hexenkunst sprechen hören, von Gewitterbeschwörung oder daß
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