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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Um diese Tageszeit indessen schlief die Stadt noch. Richard und Saviya waren allein, als sie dem Klang eines Vogels nachliefen und die erfrischende Morgenluft in sich einsogen.
    An einem der geschickt gestalteten Marmorbrunnen, wo sich fett der trunkene Bacchus über einer Muschelschale wölbte, blieben sie stehen. Richard fing das sprudelnde Wasser in seinen Händen, um Saviya zu trinken zu geben. Sie hatten sich bereits von den skeptischen Stimmen ihrer Freunde erzählt, wobei jeder vor dem anderen etwas zurückhielt.
    Nachdem sie getrunken hatte, holte Saviya etwas hervor und sagte etwas schüchtern: »Ich habe noch ein Geschenk für dich, Riccardo.« Es war ein schwerer goldener Armreif, wie er ihn bei den Zigeunern mehrmals gesehen hatte, voller Gravuren und Verzierungen. Saviya begegnete seinem Blick und lachte.
    »Ich weiß schon, Riccardo, du fragst dich, woher wir, die wir doch so arm sind, all unseren Schmuck haben. Es sind heilige Erbstücke, jede Familie hat nur ein paar, und sie müssen ständig getragen werden, sonst verlieren sie ihren Zauber. Und sie dürfen niemals verkauft oder gestohlen werden, sonst bringen sie allen nur Unglück.«
    »Aber als du damals …«, begann Richard, ehe er sich eines Besseren besann.
    Saviyas Gesicht verdunkelte sich. »Ja. Als du mich fandest, war ich ohne Schmuck, und alle unsere Erbstücke waren gestohlen. Aber der Woiwode überließ mir dieses hier und einiges andere, denn ich bin sein Blut …«
    Ein fast greifbarer Mantel von Trauer legte sich um sie. Richard dachte daran, daß am gestrigen Tag nicht nur der Sohn des Kardinals Borgia, sondern auch die Zigeuner abgereist waren, und verschloß ihr den Mund mit einem Kuß. Weich wie Farn, stark wie die Wälder, war sie ihm immer noch ein Geheimnis und fremd, selbst wenn er sich ihr nahe fühlte wie jetzt, selbst wenn er sie in seinen Armen hielt.
    Der Armreif trug einige Zeichen in einer Schrift, die ihm unbekannt war, und er fragte sich flüchtig, ob der vielbewanderte Pico sie wohl entziffern könnte. Woher waren die Zigeuner wohl ursprünglich gekommen? Aus den arabischen Ländern, wie einige seiner eigenen Vorfahren? Aus Asien? Er sah in Saviyas Gesicht und verstand mit einem Mal überhaupt nicht mehr, wie er ausgerechnet in diesem Moment Überlegungen über den Ursprung eines Volkes anstellen konnte. Um ihr etwas zu geben, das für ihn die gleiche Bedeutung hatte, zog er nach einem unmerklichen Zögern den breiten, goldenen Ring vom Finger, den er erst in Florenz zu tragen begonnen hatte.
    »Würdest du ihn von mir annehmen? Er hat meiner Mutter gehört, und es ist das einzige, was ich noch … von meinem ersten Leben besitze.«
    Er sah sie zum ersten Mal ein wenig erröten. Saviya kannte den symbolischen Wert dieser Geste, und ihr schien, als hörte sie die mürrische Stimme des Woiwoden, die sie warnte, sie werde niemals gebunden in einer Stadt leben können. Um die Erinnerung zu vertreiben, streifte sie sich den Ring rasch über. Im nächsten Augenblick erblaßte sie, wurde so weiß wie Marmor. Richard erschrak.
    »Was hast du, Saviya?«
    Sie schüttelte den Kopf, nahm seine Hand und begann wieder zu laufen. »Jetzt haben wir Blut und Gold getauscht«, sagte sie fröhlich und begann zu rennen, »es fehlt nur noch eines, und das kann nur die Zeit bringen.«

26
    D IE F LORENTINER BEDAUERTEN die Abreise des jungen Borgia. Er hatte ihnen Aufregung und endlosen Stoff zum Klatschen verschafft, der noch ein paar Wochen lang anhielt. Würde Lorenzo sich jetzt mit seinem ganzen Einfluß hinter Rodrigo Borgia stellen? Oder würde er im Gegenteil Kardinal della Rovere unterstützen?
    Während die Neugier noch Wellen schlug, ging Il Magnifico seine eigenen Wege. Lorenzo hatte seine Stadt seit Jahren als Zünglein an der Waage zwischen Mailand und Neapel etabliert, und gerade jetzt gefielen sich die beiden Intimfeinde, Ferrante von Neapel und Lodovico Sforza von Mailand, wieder in gegenseitigen Drohgebärden.
    Seit Ferrante seine Unterstützung für Giuliano della Rovere ausgesprochen hatte und borgiafeindliche Briefe in alle Richtungen schickte, hielt es Lodivico Il Moro für seine Pflicht, Kardinal Borgia ausgesprochen freundschaftlich entgegenzukommen. Lorenzo sah Schwierigkeiten voraus und machte Il Moro daher heimlich den Vorschlag, doch Kardinal Ascanio Sforza, Lodovicos eigenen Bruder, als dritten Kandidaten für den Heiligen Stuhl ins Spiel zu bringen. Ascanio könnte als Kompromiß zwischen den beiden Mächtigen

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