Die Puppenspieler
immer geliebt, aber du bist so ein fürchterlich sturer Dickkopf. Ich dachte schon, ich müßte vor deinen Augen in sein Bett steigen, ehe du etwas unternimmst. Warum hast du nur gedacht, Frauen seien für dich verboten?«
Warm und lebendig lag sie in seinen Armen, und er fühlte ihren Herzschlag wie den zitternden Flügelschlag eines Vogels. Er hielt sie und fand es unglaublich, wirklich hier zu sein, mit diesem Mädchen, das Frau und Kind zugleich war, mit Saviya, die vorhin wie ein Sturm gewesen war und jetzt so zerbrechlich wie eine Tonfigur erschien.
»Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß überhaupt nichts mehr, Saviya … nur noch deinen Namen: Saviya. Saviya, Saviya, Saviya …«
»Eigentlich müßte ich böse auf dich sein, Riccardo. Ich habe nämlich auf dich gewartet, aber es war nicht das erste Mal für dich, nicht wahr, nicht wirklich. Wie heißt sie, und wo finde ich sie, damit ich sie umbringen kann?«
»Es war das …«, begann er zu protestieren, dann sah er ihr Augenzwinkern und stimmte in ihr Gelächter mit ein. Er zeichnete die Linien ihres Mundes nach, die Brauen, die Lider, ihre Wangen, den Mund, als wolle er sie neu formen.
»Ich habe nicht mehr an Wunder geglaubt, schon lange nicht mehr, doch das ist eines. Ich bin dein erster Mann, und du bist meine erste Frau, das ist das Nirgendwo, das du dir gewünscht hast, und die Welt hat gerade erst begonnen.«
Doch während Richard noch sprach, begann das Leben wieder, alltäglichere Züge anzunehmen. Er bemerkte das Chaos auf dem Boden, das Blut und daß Saviya unbedingt frische Kleider brauchte, um diesen Raum verlassen zu können.
»Der Woiwode erzählte, ihr würdet in zwei Tagen weiterziehen …«, begann er, unsicher, wie er sie bitten konnte, die einzige Familie aufzugeben, die sie noch hatte.
»Riccardo«, unterbrach sie ihn gekränkt, »ich bleibe bei dir.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher, aber bist du es denn? Du wirst mich manchmal für ein kleines Ungeheuer halten, und glaub nicht, daß du mich je wieder loswirst, ich warne dich, Riccardo!«
»Du bist ein großes Ungeheuer, mein Herz, und ich zittere jetzt schon«, erwiderte er und küßte sie fordernd. »Laß uns noch etwas im Nirgendwo bleiben, Saviya.«
Der Woiwode schüttelte das Reisigbündel mit Zweigen von sieben verschiedenen Bäumen und warf es zu Boden. Saviya runzelte die Stirn, als sie das Muster der Zweige erkannte, dann hob sie ihre Augen zu dem alten Mann, der ihr mit gekreuzten Beinen gegenübersaß.
»Das hat nichts zu bedeuten.«
»Es bedeutet, was mir ohnehin schon klar war«, erwiderte er, »daß du eine Törin bist, wenn du glaubst, du könntest in den Städten leben. Dein Riccardo mag ein guter Mann sein, ein guter Freund, ein Liebender für eine kurze Zeit, doch was weiß er von dir? Ist er jemals über das Feuer gesprungen, hat er den Mond singen hören?«
»Er weiß genug.«
Der Alte berührte sie an einer bestimmten Stelle ihres Armes. »Aber das weiß er nicht.«
»Nein«, gab Saviya uneingeschüchtert zurück, »doch ich werde es ihm erzählen. Und er wird es verstehen.«
Dämmriges Licht herrschte im inneren des Wagens, und von draußen drangen all die vertrauten Klänge und Gerüche, die sie nun hinter sich lassen würde, herein. Der Woiwode wiegte den Kopf hin und her.
»Mag sein, mag aber auch nicht sein … Und wenn er es tut? Wirst du verstehen, Saviya? Wie wirst du leben in einer Stadt, unter Gorgios, in einem Zimmer eingesperrt, bis er einmal Zeit für dich hat? Ich kann dir nichts befehlen, Enkelin meines Vetters, denn du bist nicht von meinem Stamm. Aber bedenke, wir sind dein Blut. Wir kennen dein Herz. Und die Kinder des Mondes können niemals lange unter den Gorgios leben.«
Mit herabgezogenen Mundwinkeln entgegnete sie: »Ja, Blut. Es ist viel von unserem Blut geflossen, Woiwode, und es wird noch viel mehr fließen, solange wir uns jagen lassen wie Hasen. Ich werde in den Städten überleben, in dieser Stadt, und Riccardo wird mich nicht einsperren. Er wird mich alles lehren, was ich wissen möchte, und ich werde frei sein – unter den Gorgios.«
Der Woiwode wies auf den herabgeworfenen Reisig. Braun und unschuldig lag er da und zeigte immer noch dasselbe beunruhigende Muster. »Und die Gefahr …«
Oh, Woiwode, dachte Saviya, du hast mich doch längst schon verlorengegeben, sonst würdest du nicht auf den Reisig zurückgreifen, den Reisig, den ich soviel besser beherrsche als du. Ein wenig sanfter sagte sie: »Feigheit ist
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