Die Puppenspieler
tatsächlich gewählt werden oder, was wahrscheinlicher war, er könnte mit seinen Stimmen den Ausschlag für della Rovere und Borgia geben. Mailands Machtposition wäre damit erneut gestärkt.
Die Stadt, die von all dem nur Bruchstücke erfuhr, kehrte bald zu ihrem alten Lieblingsthema zurück: der Fehde zwischen Lorenzo de'Medici und Fra Girolamo Savonarola. »Oder, besser gesagt, Savonarolas Fehde«, kommentierte Richard in einem Brief an Jakob, »denn Lorenzo hat bisher nicht mehr getan, als die Augustiner, die über die Gefährlichkeit von Savonarolas Lehren predigen, zu unterstützen. Savonarola scheint dieser Gleichmut langsam aus der Fassung zu bringen. Seine Angriffe werden immer heftiger.«
Richards eigenes Leben entsprach der unwirtlichen Jahreszeit. Der Herbst fegte mit manchem Schirokko über Florenz hinweg, und auch der Winter zeigte sich für toskanische Verhältnisse ausgesprochen stürmisch. Saviya konnte zärtlich und anschmiegsam wie ein kleines Kätzchen sein, doch wenn sie in der entsprechenden Stimmung war, widersprach sie ihm bei jedem Disput heftiger als ein ganzes Heer entrüsteter Händler. Da sie zu allem, was er ihr erzählte, eine eigene Meinung hatte und nicht im geringsten davon beeindruckt war, wenn er die gesamte platonische Akademie als Zeugen anrief, stritten sie häufig genug. Einmal allerdings drohte eine solche Auseinandersetzung ins Verletzende umzukippen. Dabei ging es zunächst um eine Kleinigkeit.
Richard hatte versucht, Saviya zu überreden, ein Kleid anzuziehen, und hatte, als ihm die Argumente ausgingen, aus der Erinnerung ein Bild von Sybille heraufbeschworen, wie sie festlich gekleidet den König im Haus am Rindermarkt empfing. Bei seiner immer wärmeren Beschreibung bemerkte er nicht, wie Saviya die Stirn in tiefe Falten legte.
»Und so könntest du auch aussehen«, schloß er enthusiastisch. »Wie eine Königin.«
»Ich will nicht aussehen wie eine von euren Gorgio-Königinnen«, erwiderte Saviya scharf, »oder wie eine Puppe, die man ins Haus einsperrt und nur hervorholt, um sie den Gästen zu zeigen.«
Anscheinend hatte er bei der Beschreibung irgend etwas falsch gemacht. »Aber Sybille ist keine Puppe«, protestierte Richard, »was ich sagen wollte ist, sie wird deswegen so gerühmt in Augsburg, weil sie nicht nur schön aussieht, sondern auch klug ist und freundlich und all diese Gaben wunderbar zur Geltung bringen kann.«
»Wenn sie dazu ein Kleid braucht, kann es damit nicht weit her sein«, murmelte Saviya und starrte feindselig auf das Gewand, das er ihr gekauft hatte.
Ein Hauch von Verärgerung färbte Richards Stimme, als er sagte: »Du willst es noch nicht einmal versuchen, nicht wahr?«
»Nein, das werde ich nicht! Und ich habe dich noch nie so töricht reden hören, Riccardo. Weißt du, wovon du wirklich schwärmst? Nicht von deiner«, sie hielt inne und zog das Wort lange genug hinaus, um es beleidigend wirken zu lassen, »Tante, sondern vom Reichtum! Warum behängst du mich nicht gleich von Kopf bis Fuß mit Gold, wenn du das sehen willst?«
Diesen Vorwurf empfand Richard als grundlos und ungerecht, wenngleich ein Körnchen Wahrheit enthalten war, das wie Salz in einer offenen Wunde wirkte und ihn verleitete, zurückzuschlagen: »Wie der Bastard des Kardinals, meinst du?«
Er erwartete, daß Saviya sofort widersprach, doch als sie es nicht tat, sondern sich statt dessen schweigend abwandte, hätte er am liebsten seine Worte zurückgenommen, und er bereute, mit der ganzen Angelegenheit überhaupt angefangen zu haben.
»Saviya, es tut mir leid. Ich habe das Kleid auch nicht gekauft, weil ich dich nicht liebe, so wie du bist, sondern weil ich dachte, es gefällt dir, und du würdest gerne so etwas tragen.«
Langsam drehte sie sich wieder um und warf einen vorsichtigen Blick auf den Anlaß ihres Streits, dann auf Richard. »Ich kann es versuchen«, sagte sie großzügig.
Beide waren erleichtert, als hätten sie eine gefährliche Klippe umschifft. Dabei hätte Richard diese Streitereien um keinen Preis missen mögen, zumindest die meisten. Ihr Anderssein fesselte ihn ebensosehr wie die Tatsache, daß er nun selbst zum ersten Mal das Vergnügen hatte, einen äußerst wißbegierigen Schüler zu unterrichten.
»Du bist in die Vorstellung vernarrt, sie zu formen wie Pygmalion seine Galatea«, sagte Mario einmal. »Sei vorsichtig. Galatea wurde lebendig.«
Mario unterrichtete Saviya ebenfalls, und der Erfolg ließ sich deutlich feststellen, doch er
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