Die Puppenspieler
wußte inzwischen genau, wer in Florenz und der näheren Umgebung seine Schätze als ›weltlichen Luxus‹ ansah und veräußern wollte. Danach wartete eine Reise durch die Toskana auf ihn, vielleicht auch durch die Romagna, die Lombardei, nach Venedig, überall, wo es keinen Savonarola, aber dafür sehr viele schönheitshungrige adlige Familien wie die Este oder die Gonzaga gab. Eine Reise zusammen mit Saviya, die auf diese Weise ihre übertriebene Furcht vor Florenz hinter sich lassen und vergessen konnte …
»Noch etwas.« Eberding kniff die Augen zusammen. »Mir ist egal, was Ihr in Eurer freien Zeit tut, Artzt, und wieviel Geld Ihr dafür ausgebt, aber laßt mich eines klarstellen – das Unternehmen Fugger bezahlt keine Reisen für Eure Konkubine.«
Befriedigt registrierte er, daß der letzte Schuß ins Schwarze getroffen hatte – Richard verlor etwas von seiner sonst so ruhigen Haltung und versteifte sich. »Die Dame, von der Ihr sprecht«, sagte Richard scharf, »ist meine Verlobte.«
Entgeistert starrte ihn Eberding an. »Ihr wollt eine Zigeunerin heiraten? Das kann doch nicht Euer Ernst sein!«
In Wahrheit hatte Richard noch nie darüber nachgedacht, doch Eberdings ständige Feindseligkeiten begannen ihre Wirkung zu zeigen, und außerdem – warum nicht? Er liebte Saviya, und sie liebte ihn.
»Verlobte oder nicht«, sagte Eberding, mühsam um Fassung ringend, »ich gestatte nicht, daß Ihr sie mitnehmt. Das wäre eine überflüssige Ausgabe und eine Ablenkung obendrein, und erhofft Euch in diesem Punkt nur keine Unterstützung aus Augsburg!«
Augsburg! Der Kaufmann stellte sich vor, was die Fugger wohl sagen würden, wenn ein Familienmitglied, und sei es auch nur ein angeheiratetes, eine Zigeunerin zur Gemahlin nehmen würde. Eine Katastrophe. Oder, überlegte Eberding und musterte Richard abschätzend, ein Glücksfall. Der junge Artzt leistete gute Arbeit hier, das konnte man nicht leugnen. Doch es war untragbar, daß ein simpler Angestellter dem Unternehmen näherstehen wollte als der Leiter eines Fondaco, Verwandtschaft hin, Verwandtschaft her. Falls der Junge jetzt ihm gegenüber ausfällig wurde, würde er, Eberding, den Eilboten mit einer Beschwerde an Jakob Fugger zurückschicken. Mit einer sehr ausführlichen und fundierten Beschwerde. Erwartungsvoll verschränkte er die Arme.
Doch Richard enttäuschte ihn. Seine Miene wurde mit einem Mal ausdruckslos. »Wie Ihr wünscht, Meister Eberding«, antwortete er mit tadelloser Höflichkeit. Er hatte entschieden, daß es sich nicht lohnte, wegen einer Reise Streit mit Eberding anzufangen. Mit etwas Glück würde sein Gewinnanteil beim Verkauf von so kostspieligen Dingen wie Statuen und antiken Schmuckstücken hoch genug sein, um sich später selbst eine Reise mit Saviya leisten zu können, und es war auch nicht unrealistisch, in nächster Zeit von Jakob eine Lohnerhöhung zu erwarten. Aber nicht zum ersten Mal zog er es in Erwägung, Jakob zu bitten, ihm zu gestatten, sich in Florenz aus den normalen Geschäften des Fondaco herauszulösen – immer noch im Dienst des Unternehmens, aber nicht mehr unter Eberdings Oberaufsicht. Die Zusammenarbeit mit dem angriffslustigen Schwaben wurde mit jedem Monat mühsamer.
Ausgestattet mit neuen Geldmitteln, fiel es Richard nicht schwer, die Savonarola-Anhänger unter den reicheren Familien in Florenz dazu zu überreden, sich von ihren Schätzen zu trennen. Einige hatten schon an Lorenzo verkauft, doch erstens standen auch Il Magnifico nicht unbegrenzt Gelder zur Verfügung, und zweitens hatte er, wie sich ein Mitglied der Familie Ricci ausdrückte, ›zur Zeit auch anderes im Kopf‹.
Dennoch stattete Richard auch dem Palazzo Medici einen Besuch ab. Er hatte das Relief von Michelangelo Buonarroti nicht vergessen und meinte, wenn die Este in Ferrara angeblich Unsummen für einen römischen Herkules geboten hatten, würden sie sich vielleicht auch für ein zeitgenössisches Stück begeistern lassen. Ein Diener führte ihn zu den Gartenanlagen, wo er bald heftiges Hämmern hörte. Der Lärm wurde lauter, bis sie auf eine Reihe verlassener Tische, bedeckt von Zeichnungen und Wachsmodellen, stießen. Nur an einem Tisch wurde gearbeitet; dort stand Buonarroti und hieb mit einer wütenden Intensität auf einen Marmorblock ein, der etwa so groß wie ein zehnjähriges Kind war. Da der Diener es eilig hatte und sofort verschwand, rief Richard dem anderen eine Begrüßung zu, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Der
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