Die Puppenspieler
Riccardo überzeugst …«
Es war dem Mönch unverständlich, wie jemand gleichzeitig so vernünftig und so dumm sein konnte. Er fragte sich einmal mehr, wie alt sie wohl war; er hatte keine Erinnerung mehr an die Zigeunerkinder.
»Saviya«, begann er, und sein behutsamer Ton ließ sie innehalten und trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht, »selbst wenn du genug Geld hättest und wenn Richard all seine Verpflichtungen hinter sich lassen könnte – er würde nie Geld von dir nehmen, und er würde nie damit fertig werden, daß du eine … daß du dich für eine Hexe hältst. Für ihn darf es keine Hexen geben.«
»Ich weiß«, antwortete sie wütend. »Was meinst du, warum ich es ihm nicht gesagt habe? Oh, er hat mir nie etwas erzählt, aber ich habe die Zeichen an ihm erkannt, und als er mir den Ring gab, da wußte ich auch den Rest. Aber das ist mir gleich. Bring ihn aus der Stadt heraus, Priester. Es kümmert mich nicht, wie, aber wenn du es nicht tust, dann erzähle ich ihm von dir und dem Schwarzrock in Pisa, und was glaubst du«, schloß sie feindselig, »was er dann noch von dir hält.«
Die steigenden Temperaturen machten Eberding diesmal wirklich zu schaffen. Während der Lärm aus der Loggia zu ihm drang, saß er in seinem Kontor, tupfte sich den Schweiß von der Stirn und wünschte sich, wieder in Augsburg zu sein. Ein kühler Herbsttag, dachte er sehnsüchtig, an dem der Wind die Blätter aufwirbelt oder, noch besser, ein Wintertag. Er verstand sich selbst nicht. Eigentlich hielt er sich nun schon lange genug im Land der Welschen auf, um sich an das Wetter dort gewöhnt zu haben; es gab keinen Grund, sich wie ein heimwehkranker Junge nach Schnee zu sehnen. Es muß das Alter sein, schloß er, und der Gedanke hob seine Stimmung nicht gerade.
Als Richard eintrat, warf er ihm einen gereizten Blick zu. Dem jungen Artzt schien es nie einzufallen, sich über die Hitze zu beschweren, obwohl es fast nicht mehr menschlich war, bei einem solchen Wetter nicht wenigstens etwas Erschöpfung zu zeigen. Aber Richard Artzt, dachte Eberding mürrisch, sah ja selbst aus wie einer der Welschen – dunkel genug war er.
»Nun, Artzt«, sagte er brüsk, »heute kam ein Eilbote für mich aus Augsburg. Könnt Ihr Euch denken, was er mitbrachte?« Ohne auf eine Antwort zu warten, zerrte er unter den Papieren auf seinem Schreibtisch eine Zahlungsanweisung hervor. »Da habt Ihr Euren Willen! Ihr könnt losziehen und auf Kosten des Unternehmens verrottete alte Schnitzereien und Steine kaufen! Aber nur damit Ihr es wißt, junger Mann, ich schätze es ganz und gar nicht, wenn man mich hintergeht. Ich bin der Leiter des Fondaco!«
»Ich habe Euch nicht hintergangen«, versetzte Richard ruhig. Er mußte sich beherrschen, um seine Freude nicht zu zeigen. »Ihr wart der erste, dem ich vorgeschlagen hatte, die unruhige Lage in Florenz auszunutzen, um antike Stücke in größeren Mengen zu erwerben. Wie Ihr Euch erinnern werdet, wart Ihr damals dagegen.«
»Das bin ich auch jetzt noch«, knurrte Eberding, und sein grobschlächtiges Gesicht verzog sich in noch mehr feindselige Falten, »aus gutem Grund. Außer Lorenzo de'Medici will doch niemand das Zeug, und wenn er es nicht gekauft hat, warum sollten wir dann Geld dafür ausgeben? Könnt Ihr Euch vorstellen, wie König Max einen dieser heidnischen Nackedeis in seiner Ratskammer aufstellt? Na, also. Aber wie dem auch sei, ich bin angewiesen, Euch Geld und Kredit bei den Banken, bei denen wir Konten haben, zur Verfügung zu stellen.«
Endlich gestattete Richard sich ein zufriedenes Lächeln. Er war überzeugt, für alles, was er kaufte, Abnehmer finden zu können, doch in Wahrheit kam es ihm gar nicht einmal so sehr darauf an. Das war nur ein Argument gewesen, mit dem er Jakob hatte überzeugen wollen. Endlich in der Lage zu sein, selbst einige dieser wundervollen Kameen zu besitzen oder ein paar kleinere Statuen, vielleicht sogar alte Manuskripte, und sei es auch nur für ein oder zwei Wochen, versetzte ihn in Aufregung.
»Ach ja«, fuhr Eberding deutlich besser gelaunt fort und unterbrach seinen Gedankenfluß. »Ihr agiert natürlich nicht allein. Schmitz kommt mit Euch. Ich kenne Euch zu gut, um Euch ohne Begleitung auf einen Haufen welscher Steinbrüche loszulassen. Mag sein, daß Schmitz nicht so gut Italienisch spricht wie ihr, doch er kann besser rechnen.«
Richard gestattete sich ein Achselzucken. Wolfgang Schmitz oder nicht, die nächsten Wochen würden herrlich werden. Er
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