Die Puppenspieler
mit seiner zwar nicht armseligen, aber durchschnittlichen Kleidung zu seiner Schwester. Er machte sich nicht die Mühe einer Begrüßung.
»Geh ins Haus, Contessina«, sagte er harsch. »Es ziemt sich nicht für dich, hier mit einem Arbeiter und einem Krämer herumzustehen.«
Contessina holte empört Luft, und Michelangelo stieg das Blut in den Kopf.
»Die Buonarroti sind mindestens so lange in Florenz wie die Medici, und …«
»Piero«, unterbrach ihn Contessina hastig und ergriff beruhigend die zerschürfte Hand ihres Freundes, »wenn sich hier jemand unziemlich verhält, dann bist du es. Selbst ein Bauer ist höflich zu seinen Gästen, und nur ein Narr beschimpft die eigene Herkunft. Hast du vergessen, daß wir genau das sind – Krämer? Oder siehst du dich lieber als einen adligen Orsini aus Rom?«
Wahrscheinlich traf das letztere zu, dachte Richard, doch Piero di Lorenzo de'Medici würde es wohl kaum öffentlich eingestehen – und schon gar nicht vor ›einem Arbeiter und einem Krämer‹. Piero erinnerte ihn plötzlich an jemanden, aber er kam beim besten Willen nicht darauf, an wen.
Piero fühlte sich mit einem Mal ins Unrecht gesetzt. »Mir ist es nur um die Ehre unseres Hauses zu tun«, gab er verärgert zurück und fügte listig hinzu: »Wenn man bedenkt, was dieser Mönch Papa jetzt schon vorwirft, sollte man meinen, daß du den Leuten keine Gelegenheit geben wolltest, noch mehr über die Medici zu klatschen.«
Bedeutungsvoll sah er auf Contessinas Hand, die Michelangelo immer noch festhielt; aus einem plötzlichen Impuls heraus entschied sich Richard, für die beiden in die Bresche zu springen.
»Verzeiht, wenn ich mich einmische, Messer«, sagte er gelassen, »aber meines Wissens nach beschäftigt sich der Klatsch in Florenz zur Zeit hauptsächlich mit den Ausgaben Eurer edlen Gemahlin.«
Hätte die Erde angefangen, unter ihm zu beben, Piero de'Medici hätte nicht entgeisterter dreinschauen können. Sein hübsches Gesicht verzerrte sich, und er krächzte beinahe, als es aus ihm ausbrach: »Das … das ist wohl die größte Unverschämtheit, die ich je in meinem Leben gehört habe! Wenn Ihr nicht ein dreckiger Fremder wäret, würde ich Euch zum Zweikampf fordern!«
Jetzt wußte Richard, an wen Piero ihn erinnerte: Ulrich von Remar, der Graf mit einer Vorliebe für junge Mädchen, der während des königlichen Besuches bei ihm einquartiert gewesen war. Beide verfügten über eine unüberbietbare Mischung aus Eitelkeit und Arroganz. Doch Ulrich von Remar war nicht der älteste Sohn des wichtigsten Mannes von Florenz. Richard fragte sich, ob er nicht eben das bewiesen hatte, was laut Jakob der verhängnisvollste aller Fehler war: Unüberlegtheit. Aber er brachte es trotzdem nicht fertig, jetzt eine kriecherische Entschuldigung vorzubringen.
Contessina, die sehr wohl bemerkt hatte, daß Richard ihren Bruder von ihr und Michelangelo hatte ablenken wollen, entschied, ihm den Gefallen nun zu erwidern.
»Gehen wir zusammen hinein, Piero«, sagte sie besänftigend und hakte sich bei ihm unter, »und vergessen die ganze Geschichte. Schau, die Tedeschi sind eben anders als wir …«
»Anders!« ächzte Piero.
»… und Messer Riccardo hat Papa das Leben gerettet«, fuhr Contessina unbeirrt fort. »Papa schätzt ihn sehr, und du weißt doch genau, wie schlecht er sich in den letzten Wochen gefühlt hat. Du möchtest doch nicht, daß wir ihm jetzt noch mit so einem albernen Streit kommen, oder?«
Während sie sprach, manövrierte sie ihren Bruder unauffällig von Richard und Michelangelo fort, und die Geschwister wandten beiden bereits den Rücken zu, als sie Pieros unsichere Stimme hörten: »Nein … natürlich nicht, aber …«
Michelangelo grinste und schlug Richard auf die Schulter. »Per Bacco , das hat gesessen! Aber nun kommt, verschwinden wir hier. Ich bringe Euch aus dem Garten heraus, ohne daß wir noch einmal Piero begegnen.«
Während sie durch die Laubengänge eilten, stellte Richard fest, daß sein Zusammenstoß mit Piero ihm in Michelangelos Augen offensichtlich einen neuen Status verliehen hatte. Die mürrische Zurückhaltung des Florentiners war vorbei, statt dessen zeigte er, daß er, wenn er wollte, durchaus über einen Teil der toskanischen Beredsamkeit verfügte.
»Pieros Gesicht, also das werde ich niemals vergessen, Te-, nein, wie war noch einmal Euer Name? Riccardo? Also, Riccardo, wißt Ihr, Piero hat mich nämlich einmal zu sich befohlen – wirklich befohlen –, um
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