Die Puppenspieler
ein Porträt von seiner Gemahlin zu machen. Habt Ihr die alte Ziege schon mal gesehen? Nein? Preist Euch glücklich. Erstens sieht sie aus wie ein menschliches Gewitter, und zweitens benimmt sie sich, als sei ganz Florenz ein übles Wirtshaus, in dem sie leider über Nacht bleiben muß. Also, ich weigerte mich natürlich, und Piero drohte damit, mich sofort hinauswerfen zu lassen, aber Lorenzo – es gibt keinen zweiten Mann wie Il Magnifico, das laßt Euch gesagt sein! Ich verstehe nicht, warum Fra Savonarola –, nun ja, ist ja auch gleichgültig. Jedenfalls, als Piero sagte …«
»Es tut mir leid«, unterbrach ihn Richard, »aber ich muß heute leider noch einige Sachen erledigen. Deswegen wollte ich Euch fragen – seid Ihr prinzipiell bereit, mir Euer nächstes Werk als erstem zum Verkauf anzubieten?«
»Gewiß«, antwortete Michelangelo fröhlich. »Wartet, bis ich das meinem Vater erzähle. Er ist beim Zoll, wißt Ihr, und hat mich schon für verrückt erklärt, als ich Lehrling bei Ghirlandaio wurde, aber als ich dann Bildhauer werden wollte – Madonna! Ich hätte genausogut auf das Familiengrab pinkeln können. Er hält die Bildhauerei für den brotlosesten Beruf der Welt.«
»Da steht er nicht allein«, sagte Richard im Gedenken an Eberding und fügte spitzbübisch hinzu: »Aber wer will schon Brot, wenn er einen Braten haben kann?«
28
W EDER W OLFGANG S CHMITZ noch Anton Eberding erfuhren vorerst etwas von der Vereinbarung mit Michelangelo Buonarroti. Allerdings erwies sich Schmitz keineswegs als Hemmschuh. Er überließ Richard die Verhandlungen, die durch die grassierende Abscheu vor ›weltlicher Eitelkeit‹ erleichtert wurden. Bald stapelten sich ihre Ankäufe in den Handelshöfen, und ausgerüstet mit ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Stücke und Angaben über die bisherigen und früheren Eigentümer, konnten sie ihre Reise beginnen.
Richard war es gelungen, bei Eberding noch die Kosten für einen weiteren Begleiter herauszuschlagen, einen Vermittler, der, wie er dem Leiter des Fondaco erklärte, bestens vertraut war mit den meisten Fürsten in der Romagna – Fra Mario Volterra.
Mario, fand Richard, lief in der letzten Zeit ohnehin mehr und mehr wie ein Gespenst herum; er vermutete, daß es immer noch der Zwiespalt zwischen Savonarola und Lorenzo de'Medici war, der seinen Freund so belastete. Es würde ihm guttun, Florenz für ein paar Wochen zu verlassen.
Richard hatte mit dem Gedanken gespielt, Saviya heimlich und Eberding zum Trotz mitzunehmen, doch zu seiner Überraschung lehnte sie das rundweg ab. »Ich habe mich oft genug aus einer Stadt geschlichen«, erklärte sie. »Nicht aus dieser. Mach du deine Reise – mit Mario.«
Sie betonte den Namen des Mönchs so eigenartig, daß Richard hellhörig wurde. »Saviya«, fragte er ungläubig, »du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
So heftig wie damals in den Bergen entgegnete sie: »O Ricardo, du bist ein Esel! Geh, verlaß die Stadt. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme hier sehr gut zurecht.«
Doch als er dann tatsächlich aufbrach und ihr versicherte, in ein paar Wochen sei er zurück, erkannte er Tränen in ihren Augen. Es erschreckte ihn; er hatte Saviya noch nie weinen sehen. Sie fuhr sich wütend mit dem Handrücken über die Augen, stellte sich auf die Zehenspitzen und preßte ihre Lippen fest auf seinen Mund. Dann rannte sie fort, und Richard grübelte noch stundenlang über diesen Abschied nach.
»Vielleicht hätte ich doch lieber in Florenz bleiben sollen«, meinte er zu Mario, während sie die alte römische Straße, die Via Emilia, überquerten. »Oder sie einfach mitnehmen, ganz offen. Zum Teufel mit ihren Skrupeln, und zum Teufel mit Eberding.« Mario blickte auf den Hals seines Maultiers und erwiderte nichts. Wolfgang Schmitz, der ein wenig zurückgeblieben war, näherte sich ihnen wieder und rief: »He, Bruder, was hat es denn mit dieser Prophezeiung auf sich, die euer Dauerredner von einem Prior von sich gegeben haben soll?«
»Er ist nicht mein Prior«, entgegnete Mario unerwartet zornig. »Ich bin Augustiner. Er gehört zu den domini canes .«
Von der barschen Antwort eingeschüchtert, fragte Schmitz nicht mehr, doch Richard war aufmerksam geworden. Es sah Mario nicht ähnlich, so zu reagieren, besonders, wo er nun schon ein dreiviertel Jahr Zeit gehabt hatte, sich an Savonarola zu gewöhnen. Am Abend, als sie in einer guten Herberge untergekommen waren und ihre Sachen verstaut hatten, forderte
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