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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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junge Bildhauer schien ihn nicht zu hören. Richard wußte nicht, ob er nähertreten sollte oder auf diese Art bereits abgewiesen worden war, als er bemerkte, daß sich noch jemand im Garten aufhielt. Contessina de'Medici stand in einiger Entfernung gegen einen der Tische gelehnt und beobachtete den Schützling ihres Vaters. Richard ging zu ihr hinüber, und sie legte die Finger auf den Mund.
    »Ihr kommt zu einem ungelegenen Moment«, flüsterte sie. »Bertoldo ist heute morgen gestorben.«
    Verwirrt wollte er sie fragen, wer Bertoldo war, als es ihm wieder einfiel. Bertoldo, selbst Schüler des legendären Donatello, war der Leiter jener Bildhauerschule, die Lorenzo im Garten seiner verstorbenen Frau ins Leben gerufen hatte. Also sagte er nichts und schaute wie sie Michelangelo Buonarroti zu. Richard hatte noch nie einen Bildhauer bei der Arbeit beobachtet, doch er hatte sich vorgestellt, daß der Handwerker beim Entstehen einer Statue oder eines Reliefs sehr langsam und vorsichtig vorging; schließlich konnte ein einziger Schlag alles verderben, und, anders als bei einem Gemälde, war keine Korrektur möglich.
    Der Begriff ›Vorsicht‹ allerdings schien nicht in Michelangelos Welt zu gehören. Richard zuckte zusammen, als ein fast kopfgroßer Marmorbrocken zu Boden krachte, und versuchte vergeblich, Michelangelos schnellen Bewegungen mit den Augen zu folgen. Endlich gab er es auf.
    »Wie macht er das?« murmelte er, an Contessina gewandt. Ihre Mundwinkel zuckten belustigt. »Das ist wie das Rätsel der Sphinx. Es gibt keine einfache Antwort. Bertoldo«, ihre Stimme wurde wieder traurig, »Bertoldo meinte, er wäre ein begnadeter Verrückter, aber ich habe ihn einmal gefragt, und er sagte, der Stein gibt dem seine Kraft zurück, der ihn gut behandelt.«
    Sie unterbrach sich; ein jäher Hustenanfall schüttelte sie, und Richard erinnerte sich an das Florentiner Gerücht, das sagte, Lorenzos Gemahlin Clarissa sei an der Schwindsucht gestorben und habe sie ihren Töchtern vererbt. Ein wenig verlegen stand er daneben, während Contessina ein Taschentuch gegen ihren Mund preßte. Das Hämmern hörte auf; Michelangelo mußte sie beide jetzt doch bemerkt haben. Er gesellte sich zu ihnen und musterte Contessina besorgt. Dann schaute er mißtrauisch zu Richard, erkannte ihn jedoch, und sein Blick hellte sich auf.
    »Ah, der Tedesco«, sagte er nicht unfreundlich. »Alles in Ordnung bei Euch?«
    »Alles«, entgegnete Richard hastig, dem mit einem Mal der Anlaß ihrer letzten Begegnung wieder einfiel, ein Anlaß, den er möglichst vergessen wollte. Und die Gelegenheit war günstig, seine Frage anzubringen.
    »Habt Ihr Eure Zentaurenschlacht eigentlich schon verkauft? Ich meine, an jemand anderen als Savonarola?« erkundigte er sich mit einem leichten Augenzwinkern. »Falls nicht, dann würde ich Euch gerne ein Angebot machen.«
    Michelangelo biß sich auf die Lippen und sah zu Contessina. »Die Zentaurenschlacht gehört Il Magnifico«, erwiderte er fest, doch mit einem Hauch von Bedauern; der Tedesco wäre sein erster wirklicher Käufer gewesen.
    »Aber, Michelangelo, Papa hätte bestimmt nichts dagegen, wenn du sie an jemand anderen verkaufst.«
    Ihr Freund schüttelte den Kopf. »Ich habe sie für Lorenzo gedacht.«
    »Schon gut«, fiel Richard beschwichtigend ein, »aber wie wäre es mit Eurer nächsten Arbeit – wenn sie fertig ist?«
    »Woher wollt Ihr wissen, ob sie gut ist oder schlecht«, fragte Michelangelo argwöhnisch zurück, »oder ist Euch das gleich – Marcatore?«
    »Ich habe Eure Faunsmaske und die Zentaurenschlacht gesehen«, sagte Richard bestimmt. »Ich weiß, daß sie gut werden wird.«
    Sie waren etwa gleichaltrig, doch diesmal kam sich Richard viel älter vor, denn der sichtbare Kampf in dem Bildhauer, weder zuviel von seiner Freude über das Kompliment zu verraten noch zu unhöflich zu wirken, hatte etwas sehr Jungenhaftes.
    »Sie wird gut werden«, stieß Michelangelo schließlich hervor, »und Ihr …«
    Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Jemand rief ziemlich laut Contessinas Namen. Richard sah, wie die beiden Blicke wechselten. »Piero«, sagte Contessina schließlich resignierend.
    Der älteste Sohn der Familie Medici erschien wenige Augenblicke später. Er war wie immer prächtig genug gekleidet, um ein Taufbankett zu besuchen, und strahlte eisige Mißbilligung aus, als er die Männer um seine Schwester erkannte. Seine Augen wanderten von Michelangelo, staubig und verschwitzt, über Richard

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