Die Puppenspieler
dir auch nicht glaube?« sagte er schroff. »Du magst dich für eine Hexe halten, aber das beweist noch lange nicht, daß …«
Saviya stand auf. Ihre grünen Augen verengten sich. »Du willst Beweise?« stieß sie hervor und gab den Anschein einer respektvollen Anrede dem Priester gegenüber jäh auf. »Das ist nicht weiter schwer … Fra Mario. Riccardo ist nicht der einzige, der Erfahrungen mit Hexen und Inquisitoren hat, nicht wahr? Du warst nicht immer hier in diesem Augustinerkloster in Florenz, o nein. Du warst einmal bei den Schwarzgewandeten in Pisa, du hast zugesehen, wie sie eine Hexe verbrannt haben!«
Mario stand reglos da. Er schaute sie an, ohne sie wirklich zu erkennen; mit grauen Lippen flüsterte er: »Ein Jahr. Es war nur ein Jahr, während meines Noviziats, weil ich gehört hatte, daß der große Bernardo di Pisa, der gelehrteste Mann der Toskana, einen Adlatus suchte.«
»Und dann«, sagte Saviya schneidend, »entdeckte der gelehrteste Mann der Toskana, der zufällig auch einer von euren Inquisitoren war, ein paar gottlose Zigeuner in der Stadt, die von einer Hexe angeführt wurden.«
In Marios Antlitz kam wieder Farbe; sein Blick wurde fest und konzentrierte sich auf sie, als sei sie das einzig Verläßliche in einer Umgebung, die zerfiel.
»Du warst dabei«, sagte er fassungslos und sprach damit unabsichtlich Saviyas Anschuldigung aus, »du warst dort. Es war dein Stamm.«
Saviya erwiderte seinen Blick. »Es war meine Mutter«, sagte sie leise und kalt. »Mein Großvater verkleidete mich als Jungen, und es gelang ihm, mich und ein paar andere aus der Stadt zu schaffen. Es war meine Mutter, die ihr gefoltert und verbrannt habt, du und dein Inquisitor, und jetzt sag mir, daß ich keine Hexe bin, Mönch!«
Gott ist gerecht, dachte Mario, während der bittere Geschmack der Wahrheit sich in seinem Mund ausbreitete, Gott ist wahrhaftig gerecht. Er hatte selbstverständlich gewußt, daß Bernardo di Pisa mit der Inquisition betraut worden war, als er seinen Abt bat, ihn für ein Jahr zu den Dominikanern gehen zu lassen, doch er hatte keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Der Ehrgeiz, bei dem großen Bernardo zu studieren, dem einzigen Gelehrten von diesem Rang, den Lorenzo nicht nach Florenz geholt hatte, war stärker als alles andere gewesen; im übrigen hatte er auch noch nie sehr über das Hexenproblem nachgedacht, bis es ihm in aller Deutlichkeit dargelegt wurde, Befragung auf Befragung, Folterung auf Folterung, bis hin zum Scheiterhaufen. Ehrfurcht vor Bernardo und pures Entsetzen hatten ihm damals den Mund verschlossen, doch die Schreie der dunkelhäutigen Frau hatten nie aufgehört, in seinen Ohren zu klingen.
Deshalb hatte er Richard und seine Beweggründe immer so gut verstehen können. Anfangs hatte er die Begegnung mit Richard als Möglichkeit der Buße gesehen. Doch Richard war sein Freund geworden und die Buße damit vergessen. Gott, schloß Mario, brachte Saviya, um mir deutlich zu machen, daß es damit nicht getan war.
»Wie lange … Hast du mich gleich zu Anfang erkannt?« fragte er sie abrupt und war auf absurde Weise erleichtert, als sie es verneinte.
»Dazu«, erwiderte sie, »habe ich dich nicht oft genug gesehen.« Sie ging um ihren Kreis herum und packte ihn am Handgelenk. »Also versprich es mir! Versprich mir, daß du Riccardo überredest, diese Stadt zu verlassen!«
Plötzlich ließ sie ihn wieder los und ging zu einer Truhe, die in der Ecke stand. Sie öffnete das Schloß, klappte den Deckel zurück und nahm einen Packen Kleider heraus, den sie achtlos auf den Boden legte.
»Er braucht nicht mehr für dieses Unternehmen zu arbeiten! Ich habe Geld, ich habe genug Geld, und ich verdiene immer mehr.«
Sie drehte sich um, und in ihren Händen hielt sie, so gut sie konnte, mehrere fette Geldbörsen. Zunächst empfand Mario ungläubiges Staunen, dann Schrecken.
»Du hast doch nicht etwa«, sagte er langsam, seinem furchtbaren Verdacht nachgehend, »für Geld Wahrsagereien und irgendwelche Zauberkünste angeboten?«
Nun war es an Saviya, verblüfft zu sein. »Aber das siehst du doch! Jede Familie, die etwas gilt, will unbedingt ihre Zukunft kennen oder die ihrer Nachbarn. Sie sind alle meine Kunden«, sagte sie mit einem gewissen naiven Stolz, der Mario die Kehle zuschnürte.
Saviya verstaute die Beutel wieder sorgsam in der Truhe und schichtete Hemd um Hemd darauf. »Jedenfalls«, sagte sie dabei mit dem Rücken zu Mario, »haben wir Geld, und wenn du
Weitere Kostenlose Bücher