Die Puppenspieler
zerschnitten hatte, als selbst Florenz mit all seiner Gelehrsamkeit für ihn an Zauber verloren hatte, waren ihm wie zwei Strohhalme erschienen, nach denen er griff. Doch er war sich nur zu bewußt, daß es nichts umsonst gab. Jakob, der bei den italienischen Banken fast uneingeschränkte Kreditwürdigkeit genoß, hätte das unerwartete Erbe problemlos auch nach Italien transferieren können, statt Richard über die Alpen zu holen; das Erbe allein machte seine Reise nicht notwendig. Jakob mußte etwas von ihm wollen, und Richard versuchte, daran zu denken, als er das Kontor betrat.
Wie immer standen zwei Schreiber an den Pulten am Fenster, und Schweriz war an den Karteischränken beschäftigt. Jakob stand neben ihm und erteilte ihm in leisem, gedämpftem Tonfall seine Anordnungen.
Das Aufwallen heftiger Freude, welches er bei Jakobs Anblick spürte, verwirrte Richard. Es war verständlich, daß er glücklich darüber gewesen war, Sybille wiederzusehen; sie war nicht nur die einzige Verwandte, die er hatte, sondern auch einer der liebenswertesten und warmherzigsten Menschen, die ihm je begegnet waren. Aber die Tatsache, daß er an Jakob nicht nur durch materielle Abhängigkeiten, sondern auch durch Gefühle gebunden war, beunruhigte Richard und rief gleichzeitig mit der Freude auch Widerstand in ihm wach. Er war kein Junge mehr, dachte er, den Jakob, wie er es einmal selbst ausgedrückt hatte, durch das Ziehen einiger Fäden bewegen konnte wie eine Puppe.
Jakob wandte sich zu ihm und sagte in seiner gemessenen Stimme: »Ich bin froh, daß du hier bist. Setz dich, wir haben einiges zu besprechen.«
Richard entschloß sich, für diesmal den Vorteil des Angriffs wahrzunehmen und nicht auf Jakobs Eröffnungszug zu warten – eine Taktik, die ihm beim Schachspiel manchmal geholfen hatte.
»Was, wenn Ihr dem falschen Kardinal Schweizer Söldner vermittelt?« fragte er betont unbekümmert. »Wäre das für das Unternehmen nicht ein Verlustgeschäft?«
In den bernsteingelben Augen, die ihn beobachteten, blitzte Belustigung auf. »Nicht schlecht«, sagte Jakob Fugger anerkennend. »Aber in diesem besonderen Fall spielt es für mich gar keine Rolle, welcher Kardinal Papst wird. Sowohl Borgia als auch della Rovere haben den Ehrgeiz, sich der mächtigen Adelsfamilien in ihrer Umgebung zu entledigen, und das geht nicht ohne Soldaten.«
»Mit Waffen aus den ungarischen Erzbergwerken«, ergänzte Richard.
Jakob nickte unmerklich. »Aber wenden wir uns lieber der unmittelbaren Zukunft zu. Ich weiß nicht, ob du dir über den Umfang deines Erbes im klaren bist. Sybilles Mutter erhält den üblichen Witwenteil und allen Grundbesitz. Sybille selbst erhält meiner Vereinbarung mit ihrem Vater gemäß ein Viertel, da ihre Mitgift bei unserer Heirat bereits ein Teil ihres Erbes mit einschloß. Abzüglich einer Stiftung für die Sankt-Anna-Kirche fällt das gesamte restliche Vermögen an dich. Und das macht dich«, endete Jakob, während er sich langsam hinter seinem Tisch niederließ, »vollkommen unabhängig. Du bist nicht länger darauf angewiesen, für das Unternehmen zu arbeiten. Falls du noch immer studieren willst, so steht dir das jetzt frei.«
In Richard stritten Bewunderung und Groll. Er hatte nicht erwartet, daß Jakob sofort auf diesen Umstand zu sprechen kommen würde; was er hingegen erwartet hatte, war ein Hinweis, mehr oder weniger versteckt, auf den Vertrag bei den Augsburger Gilden, den er vor seiner Abreise nach Italien unterzeichnet hatte, und auf die unbestreitbare Tatsache, daß er, hätte ihn Jakob Fugger nicht aus Wandlingen geholt und ihm die Erziehung eines wohlhabenden Kaufmannssohns ermöglicht, wahrscheinlich nie die Gelegenheit zum Studium gehabt hätte, von einem eigenen Vermögen ganz zu schweigen. Doch derartiger Methoden bediente sich Jakob nicht. Man verlasse sich nie auf Jakob Fugger, dachte Richard. Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, jemanden unter Druck zu setzen, findet er garantiert eine dritte.
Laut sagte er: »Ich hatte in Florenz bereits die Gelegenheit zum Studium.« Er fügte nichts hinzu und fragte nichts; sollte Jakob doch aus seiner Deckung hervorkommen.
»Ich weiß.« Ein leichtes Zucken der Mundwinkel verriet, daß Jakob Richards Taktik durchschaute. »Das erwies sich als sehr nützlich für das Unternehmen.« Ein leichtes, anerkennendes Neigen des Kopfes. »Du warst sehr nützlich – für das Unternehmen. Wir konnten viele deiner Hinweise verwenden, und der Rest war hervorragend
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