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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Erleichterung war immerhin durch die Nacht mit dem Schankmädchen der quälende Reiz verschwunden, den Ursula unabsichtlich auf ihn ausgeübt hatte, und er konnte ihr wieder mit ruhigem Gewissen als ein Freund und Verwandter begegnen.
    Als Jakob Anfang Dezember immer noch nicht zurückgekehrt war, begann sich nicht nur Richard, sondern ganz Augsburg zu fragen, was genau der Fugger für den König wohl zu tun hatte. Richard bemerkte immer mehr Angehörige des Welser-Unternehmens, die ›zufällig‹ etwas am Rindermarkt zu tun hatten. Ulrich Fugger verlor zusehends an Gewicht und erschien bei jeder Abendmahlzeit blasser und gehetzter. Als sein Bruder Georg aus Nürnberg einige Wochen früher als gewöhnlich eintraf, um die Weihnachtsfeiertage mit seiner Familie in Augsburg zu verbringen, begrüßte er ihn sichtbar erleichtert wie einen rettenden Erzengel. Georg war der einzige, auf den er einen Teil der Leitung des Unternehmens abwälzen konnte, ohne sich Jakob gegenüber schuldig fühlen zu müssen.
    Da es in Augsburg keine platonische Akademie und keine jedermann zugänglichen Bibliotheken gab, arbeitete Richard wieder im Kontor und war daher anwesend, als Georg einigermaßen gereizt zu Ulrich sagte: »Ich hoffe nur, daß mir Ziegler und Kather in Nürnberg die Angelegenheit mit der Waffenschmiede richtig in die Wege leiten.«
    Ulrich blies die Backen auf. »So wichtig ist das nicht – glaub mir, du wirst hier dringender gebraucht. Selbst wenn der gute Max herausfindet, daß seine neue Waffenschmiede auch zu unserem Unternehmen gehört und nicht irgendeinem Herrn Gotthardt – was weiter? Er müßte doch bei uns kaufen, er hat gar keine andere Wahl.«
    »Sei dir nicht so sicher«, mahnte Georg. »Jakob meint, wir sollten den Bogen nicht überspannen und dem König das Gefühl lassen, er wäre zumindest teilweise unabhängig. Das macht ihn zugänglicher. Außerdem kann ich über die Gotthardt-Schmiede auch an Fürsten und Länder verkaufen, wo man uns Fugger sonst haßt wie die Pest.«
    »Mag sein«, gestand Ulrich ihm zu.
    Richard wußte nicht, ob den Brüdern seine Anwesenheit nicht bewußt gewesen war, oder ob sie ihn nun zum inneren Kreis zählten. Wie auch immer, das Gespräch über Waffen erinnerte ihn an Savonarola und seine Prophezeiungen von Feuer und Blut, und er fragte sich plötzlich, ob dieses Blut auf allen Seiten mit Waffen aus Georgs Nürnberger Schmiede oder weiteren fuggereigenen Werkstätten vergossen werden würde, Waffen, mit denen das Unternehmen Unsummen verdiente.
    Am Abend, als er Ulrich und Georg dabei beobachtete, wie sie als wohlwollende Patriarchen über ihre Familien residierten, kam Richard diese Überlegung wieder in den Sinn. Die Brüder Fugger hielten sich gewiß für fromme Christen, aber sie wären entsetzt, wenn jemand vorschlagen würde, das Bibelwort von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden sollten, zu verwirklichen. Und warum auch? An Schwertern verdiente man viel mehr.
    Er war froh, als Ursula seine Gedanken in eine andere Richtung lenkte, lächelnd auf Georgs Gemahlin wies, die den kleinen Hieronymus im Arm hielt und bemerkte: »Ein Glück, daß Tante Regina hier ist. Sie kümmert sich gern um Kinder.«
    »Und was willst du tun, wenn du einmal verheiratet bist?« neckte er sie. »Zumindest zur Welt bringen mußt du sie schon selber.«
    Kopfschüttelnd gab sie zurück: »Ach was, muß ich nicht. Ich werde es so machen wie Tante Sybille. Ich erspare mir die Schwangerschaft und die Zeit, in der sie klein sind und nur schreien, und dann nehme ich einen netten, klugen Neffen als Kind an.«
    Sie scherzte natürlich, doch Richard protestierte, ehe er es sich versah, gegen das, was sie da andeutete. »Sybille sieht mich nicht als Sohn an«, sagte er stirnrunzelnd und war überrascht, als Ursula nicht antwortete, sondern ihn aufmerksam ansah.
    »Du bist dir tatsächlich nicht im klaren darüber, oder?« fragte sie prüfend.
    »Im klaren über was?«
    »Über Sybille und Jakob natürlich.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte Richard irritiert. Ursula blickte zum Himmel und faltete in gespielter Verzweiflung die Hände.
    »O Herr, warum hast du die Männer so blind geschaffen? Es ist doch offensichtlich. Sybille und Jakob haben keine Kinder. Was glaubst du, warum Jakob dich zurückgeholt hat, statt dir das Geld nach Italien zu schicken? Sybille sah während Mamas Schwangerschaft mehr und mehr wie ein Gespenst aus, und seit du wieder hier bist, sprüht sie

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