Die Puppenspieler
nur so vor guter Laune.«
»Jakob«, konterte Richard, der selbst nicht wußte, warum ihn Ursulas Behauptung so störte, »hat mich einzig und allein aus geschäftlichen Gründen zurückgeholt.«
»Und das konnte er dir nicht schreiben?« fragte Ursula spöttisch. »Himmel, Richard, ist es denn so schwer zu schlucken, daß sie dich alle beide gerne wiedersehen wollten, Jakob ebenso wie Sybille, obwohl er es nie zugeben würde? In dieser Beziehung seid Ihr Euch ziemlich ähnlich, weißt du das?«
Richard verschränkte abwehrend die Arme. »Wir sind uns keineswegs ähnlich. Wenn man Jakob alle sieben Weltwunder auf einmal anbieten würde, unversehrt und in voller Schönheit, soll ich dir sagen, was er dann tun würde? Er würde fragen: Was bringt mir das für mein Geschäft, und wieviel kostet es?«
Er fand das nicht im geringsten komisch und konnte nicht verstehen, warum Ursula sich die Hand auf den Mund preßte, um mit allen Kräften einen Lachanfall zu ersticken. Ihr Gesicht rötete sich ein wenig, und schließlich gab sie den Kampf auf und prustete los.
»Du hast deinen Vater nie gekannt, oder?« erkundigte sie sich dann, halbwegs gefaßt.
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Oh, nichts, gar nichts«, wehrte Ursula ab, die ihr Leben lang die Gelegenheit gehabt hatte, Väter und Söhne zu beobachten, aber genügend für Richard empfand, um nicht länger auf einem Thema beharren zu wollen, das ihm offenbar unangenehm war. »Überhaupt nichts«, schloß sie und küßte ihn flüchtig auf die Wange. »Vergessen wir es.«
Er war sehr dafür, es zu vergessen, zumal der Umgang mit seinen wirklichen Verwandten schon heikel genug für ihn war. Sybilles Mutter hatte sich bei näherer Bekanntschaft als eine ziemlich redselige alte Frau entpuppt, die bevorzugt in der Vergangenheit schwelgte. Doch damit konnte er fertig werden, schwieriger war, daß jeder Besuch in den Zimmern, die Sybille für sie eingerichtet hatte, ihr zu kurz erschien, und jeder Abschied ihr Anlaß zu Beschwerden bot.
»Dabei hättest du sie erleben sollen, als ich noch klein war«, sagte Sybille einmal traurig zu Richard. »Sie war die beliebteste Gastgeberin in Augsburg, brachte die Leute ständig zum Lachen und ließ sich immer etwas Neues einfallen. Ich kann mich noch an Anton Welsers Hochzeit erinnern, als sie den Einfall hatten, einen Weinkrug mit Münzen zu füllen und alle Anwesenden raten zu lassen, wie viele es waren. Du wirst es nicht glauben, keiner von all diesen reichen Kaufleuten, die zu den Welsern geladen waren, riet richtig, nur Emil Keutner, der Gelehrte, der damals noch ein dünner Scholar war.«
Sie seufzte und fügte abwesend hinzu: »Ich möchte nicht so alt werden, zumindest nicht auf diese Weise.«
Um Sybille seine Dankbarkeit für jahrelange unaufdringliche Fürsorge zu beweisen, besuchte Richard die alte Frau, die seine Großmutter war, also weiter. Sie hielt sich selten außerhalb ihrer Räume auf und zog es vor, dort ein Netz von verlorenen Träumen um sich zu spinnen. Einmal ertappte sich Richard dabei, daß er Sybille fragte: »War Euer Vater wirklich einmal der wichtigste Mann im Stadtrat nach dem Welser?«
»Um die Wahrheit zu sagen – nein«, erwiderte sie belustigt. »Aber mein Onkel saß ein paarmal auf dem Bürgermeisterstuhl, und glaube mir, der hat nie jemandem gestattet, das je zu vergessen!«
»Und … mein Vater?« hakte er zögernd nach. »Wie war er?« Dieses Bedürfnis, seine Wurzeln kennenzulernen, erstaunte ihn selbst, doch seit er Florenz verlassen hatte, begleitete es ihn. Sybille lag es auf der Zunge, ihn zu fragen, ob seine Mutter ihm nicht von Markus erzählt hatte. Doch wenn man es recht bedachte, hatte Markus noch nicht einmal die Gelegenheit gehabt, viel Zeit mit der Frau zu verbringen, für die er seine sichere Herkunft in Augsburg aufgegeben hatte.
»Als kleines Mädchen hielt ich ihn für einen großen Helden«, sagte sie daher versonnen, »mein großer Bruder, der ab und zu nach Hause kam und mir wunderbare Geschenke mitbrachte. Er war … ruhig, gelassen und sehr, sehr hilfsbereit.« Sie warf ihm einen verschmitzten Blick zu. »Nicht so fragedurstig und neugierig, aber es hat ihn wohl ebenso in die Ferne gezogen wie dich.«
»Ich bin wieder hier«, sagte Richard.
Sybille schüttelte den Kopf. »Und du möchtest wieder nach Italien zurück, stimmt das nicht?«
»Doch«, sagte Richard langsam. »Doch. Ich möchte wieder zurück.«
Ein paar Tage später traf Jakob in Augsburg ein. Er
Weitere Kostenlose Bücher