Die Puppenspieler
einem Katalanen, einem Marrano?‹«
Es schien, dachte Richard, als ob es für die Italiener immer noch die beliebteste Beschimpfung darstellte, jeden Abkömmling der Iberischen Halbinsel einen Marrano, einen getauften Juden, zu nennen. Abgestoßen und fasziniert zugleich hörte er Giovanni den Streit der Kardinäle vor dem sterbenden Papst beschreiben. Kardinal Borgia, berichtete Giovanni, habe erwidert, wenn sie nicht in der Gegenwart ihres Herrn, des Papstes, wären, würde er della Rovere zeigen, wer Vizekanzler der Kirche sei, worauf Kardinal della Rovere zurückgab, wäre nicht Seine Heiligkeit zugegen, dann würde er Borgia zeigen, daß er keine Angst vor ihm habe.
»Ich dachte wirklich, sie würden sich noch zum Zweikampf fordern«, schloß Giovanni fast enttäuscht, »aber dann griff Kardinal Sforza ein und erinnerte sie daran, daß sich derartig unwürdige Zänkereien für ihren Stand nicht schickten, und an diesem Ort schon gar nicht. Und das war es dann.«
Einmal mehr fiel Mario auf, daß Giovanni de'Medici bei aller Spontaneität sehr wohl darauf achtete, was er sagte. Der Streit zwischen den beiden Kardinälen war eine Sache, der Umstand, daß alle beide mittlerweile bei jedem Treffen des Kardinalkollegiums versuchten, durch Schmeicheleien, Versprechungen oder gar Drohungen so viele Stimmen wie möglich auf ihre Seite zu bekommen, eine andere, was Giovanni wohlweislich nicht erwähnte.
Richard legte eine ähnliche Mischung aus Unbekümmertheit und Selbstkontrolle an den Tag; er hatte sich bald mit Giovanni in eine Unterhaltung über die Kunstschätze des Vatikans und die Fremdenfeindlichkeit der Römer vertieft, steuerte auch einige Anekdoten über sein eigenes Ungeschick mit römischen Sitten bei, doch inmitten des Gelächters war das Ziel des Gespräches auch für Mario klar zu erkennen, und Richard verlor es nicht einen Moment lang aus den Augen. Schließlich erhielt er seine Einladung zu einem Abendessen, an dem auch einige Mitglieder der Familie Orsini teilnehmen würden. Bevor er sich in aller Form verabschieden konnte, sagte Mario hastig: »Euer Eminenz« – vor anderen gab er Giovanni stets seinen vollen Titel –, »ich habe Messer Riccardo lange nicht gesehen und hatte vor …«
»Schon gut«, sagte Giovanni nachgiebig, »schon gut. Ihr könnt ihn begleiten. Ich muß ohnehin noch meinen wöchentlichen Bericht an Piero schreiben.«
Während sie beide die enge, gewundene Treppe des römischen Palazzo hinuntereilten, warf Richard Mario einen nachdenklichen Seitenblick zu. Mario hätte jetzt die beste Gelegenheit gehabt, Pflichten vorzuschützen, um keine unangenehmen Erklärungen abgeben zu müssen, doch er hatte sie nicht ergriffen, im Gegenteil, hatte sie zurückgewiesen. Es mußte ihm wirklich an einer Aussprache gelegen sein. Dieser Eindruck vertiefte sich noch, als Mario zielstrebig den Weg zum Kolosseum einschlug und verbissen wie ein Soldat durch die belebten Straßen Roms marschierte, ohne einen Ton von sich zu geben. Auch Richard schwieg, und die Erinnerungen des letzten Jahres tauchten wie Treibhölzer eines untergegangenen Schiffs in ihm auf; einige drängten sich widerspenstig immer wieder zur Oberfläche, andere waren zu beschwert mit Schlamm und Algen, um emporgezogen zu werden.
Vor den Überresten des gewaltigen Amphitheaters kam Mario zum Stehen. »Die Römer«, sagte er zu Richard, »kommen kaum hierher – es heißt, daß es hier spukt. Also werden wir hier wohl ungestört sein.«
Richard erinnerte sich an die Nacht, in der er Mario gebeichtet hatte, auf der alten Bergfeste über dem Arno. Wenn Ihr es nicht über Euch bringt, Eure Geschichte einem Menschen zu erzählen, dann könnt Ihr sie dort der Stadt erzählen, Riccardo.
»Geister, Unsinn«, erwiderte er mit einem halben Lächeln. »Du hast einfach eine Vorliebe für dramatische Orte, Mario.«
Der Mönch entgegnete nichts, und sie betraten das Innere der Ruine. Warum auch noch andere Dinge außer Geistern die Römer von ihr abhielten, war sofort zu erkennen; die Fuhrleute, die Rom täglich mit frischem Gemüse und Obst belieferten, kippten hier ihre unbrauchbare und überschüssige Ware ab. Der süße, würgende Geruch von Fäulnis hing in der Luft und wirkte fast lähmend, während die beiden jungen Männer auf eine der übriggebliebenen Stützmauern der verschwundenen Sitzbänke kletterten.
»Du hast den Prozeß deiner Mutter nicht miterlebt, daher kennst du den Ablauf nur aus Beschreibungen«, sagte Mario
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