Die Puppenspieler
gebratenen Kapaun in sich hineinzustopfen, den man ihm gerade aufgetischt hatte. Das Konklave lag bereits einige Tage zurück, aber er hatte, wie Giovanni erklärte, durch die erzwungene Fastenzeit immer noch einiges nachzuholen. Nachdem er die Diener fortgeschickt hatte, brach die aufgestaute Erbitterung in ihm los.
»Ich wünschte bei Gott, Piero wäre nicht mein älterer Bruder, dann würde ich ihm zeigen, was ich von ihm halte! Erst überhäuft er mich hier mit Befehlen, wen ich wählen soll, als ob das nicht meine Sache wäre. Wer ist denn Kardinal, ich oder er? Und ich wollte nun einmal weder Borgia noch della Rovere als Papst, also habe ich für Sforza gestimmt. Das ist mein Recht. Wenn er sich della Rovere und Ferrante von Neapel verpflichtet fühlt, dann ist das seine Angelegenheit. Und jetzt, wo der Borgia Papst geworden ist, weil Ascanio Sforza ihm schließlich seine Stimmen überlassen hat, führt Piero sich so auf, als wäre das einzig und allein meine Schuld. Wißt Ihr, was er getan hat?«
Ein Kapaunschlegel erwies sich als zu saftig, um weitere Reden zuzulassen, und Giovanni sah sich einige Zeit zum Schweigen verurteilt. Doch selbst seine heftigen Kaubewegungen verrieten seine Entrüstung, und Mario wußte nicht, ob er wegen eines normalen brüderlichen Streits belustigt oder wegen der Sache, um die sie stritten, traurig sein sollte.
Nachdem er mit einem genüßlichen Schluck Wein den letzten Bissen hinuntergespült hatte, fuhr Giovanni fort: »Er hat unserem Botschafter geschrieben, er solle künftig ein Auge auf mich haben, damit ich ihn nicht noch einmal zum Narren mache! Stellt Euch das vor, Fra Mario – er gibt mir einen Vormund, als wäre ich ein Kind! Aber nicht mit mir. Er soll mich gefälligst mit etwas Respekt behandeln, schließlich bin ich Kardinal, und wer ist er? Und überhaupt wünschte ich, ich hätte an dieser verfluchten Wahl nie teilgenommen. Es hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht.«
»Es macht einen Unterschied für Euch«, sagte Mario beschwichtigend. »Ihr seid Eurem Gewissen gefolgt, Giovanni, was das Richtige war und für Euch spricht.«
Der junge Kardinal schnitt eine Grimasse. »Nicht für Piero.«
»Das finde ich sehr bedauerlich – für Piero«, erwiderte Mario mit einem Augenzwinkern. »Ihr solltet Eure geistige Überlegenheit beweisen, indem Ihr seine Vorwürfe ignoriert und weiter das tut, was Euer Gewissen Euch befiehlt.«
»Zu spät«, sagte Giovanni erheblich besser gelaunt und schenkte sich noch etwas Wein ein. »Ich habe Piero bereits geschrieben, was ich von ihm halte. Aber das macht nichts. Ich bleibe ohnehin nur noch bis zur Krönung in Rom, dann reise ich zurück nach Florenz und werde mich im Umgang mit Piero in christlicher Demut üben, das verspreche ich Euch.«
»Hoffentlich«, meinte Mario trocken und stellte dann die Frage, die ihm am meisten am Herzen lag: »Und was haltet Ihr von unserem neuen Heiligen Vater?«
Schlagartig verlor Giovannis Antlitz jede Heiterkeit. »Er ist zweifellos ein kluger Mann und ein sehr angenehmer Gesellschafter«, antwortete er langsam, »und er hat mir bereits versprochen, die Exkommunikation von Pico della Mirandola aufzuheben. Aber ich kann Cesare nicht vergessen, Ihr wißt schon, seinen Sohn, der mit mir studiert hat. Nachdem wir Fra Savonarola predigen gehört hatten, fragte Cesare meinen Vater, warum er ihn nicht umbringen ließe, und das war kein Scherz, glaubt mir. Das war sein voller Ernst. Und ich denke, auch Kardinal Bor… – der Heilige Vater wäre dazu imstande, wenn man ihm nur genügend Grund gibt.«
Richard hatte einiges an Festlichkeiten in Florenz miterlebt und hatte auch Maximilians Einzug in Augsburg noch in guter Erinnerung, aber die Vorbereitungen für die Krönung des Papstes übertrafen alles, was er bisher kennengelernt oder sich hatte vorstellen können. Angefangen hatte es schon damit, daß die Menge auf dem Petersplatz nach Bekanntgabe des Namens des Erwählten wie von Hunden gehetzt davongeeilt war, nicht etwa in verschiedene Richtungen, sondern alle in dieselbe. Sie liefen nicht nur, sie rannten. Ein atemloser Römer klärte Richard keuchend darüber auf, daß nach altem Brauch der Palazzo eines gewählten Papstes vom Volk geplündert werden darf.
Er hatte es nicht sofort glauben können und ließ sich von der Menge lange genug mitreißen, um mitzuerleben, wie die begeisterten Römer den Palazzo des Kardinals Borgia stürmten, während seine Diener, die sich über die Bedeutung
Weitere Kostenlose Bücher