Die Puppenspieler
selber, gegen die Tradition nicht in einer Sänfte, sondern auf einem Zelter. Die Prälaten hinter ihm warfen freigebig Silbermünzen in die Menge, und der Papst, der sein Pferd anscheinend mühelos im Griff hatte, grüßte lächelnd nach allen Seiten und erteilte seinen Segen.
Richard, der eine gewisse Familienähnlichkeit mit dem athletischen Cesare erwartet hatte, war zunächst überrascht von der wohlgerundeten, behäbigen Gestalt auf der braunen Stute, die Freundlichkeit und Wohlwollen ausstrahlte. Dann erkannte er andere, verräterische Züge: die hervorspringende Adlernase, die durchdringenden schwarzen Augen, die ständig irgend jemanden in der Menge zu fixieren schienen, und die Hände, die, wenn sie nicht gerade winkten oder segneten, sich fest, fast zusammengeballt, um die Zügel schlossen.
»Viva il Papa!«
Er hatte genug gesehen. Richard ließ sich zurückdrängen und verpaßte so die nächste Station des Krönungszuges, die Begegnung des Papstes mit dem Vertreter der jüdischen Gemeinde in Rom, der ihm gemäß der Tradition die Thora entgegenhielt. Der Wortwechsel war dabei ebenso vorgeschrieben wie die Gesten – »Hier geben wir Euch das Gesetz Gottes« – »Ich nehme das Gesetz an, verurteile aber Eure fehlgeleitete Auslegung; doch lebt weiterhin unter den Christen.«
»Es gibt Gerüchte«, erzählte der florentinische Gesandte beim abendlichen Bankett, »daß die Könige von Kastilien und Aragon gegen diesen Teil der Zeremonie Protest eingelegt haben, weil sie erst vor kurzem durch ein Edikt ihre Juden des Landes verwiesen.«
Virginio Orsini, der mit einigen Mitgliedern seiner Familie der Einladung Pieros gefolgt war und bisher schweigsam zwischen den Brüdern Medici gesessen hatte, stieß verächtlich hervor: »Die spanischen Juden werden schon noch alle hierherkommen, wir werden es erleben. Jetzt, wo ein Marrano auf dem Heiligen Stuhl sitzt.«
Seine Anhänger lachten etwas nervös, ebenso einige der Florentiner, doch bei den übrigen Gästen machte sich verlegene Stille breit, bis Giovanni de'Medici ungehalten meinte: »Mag sein, daß Ihr die Borgia nicht mögt, Virginio, aber Ihr wißt genau, daß sie nicht einen Tropfen jüdischen Bluts in sich haben, und etwas anderes zu behaupten ist unsinnig. Ihr solltet lieber auf die wirklichen Fehler …«
»Basta!« unterbrach ihn sein Bruder scharf. Piero de'Medici hatte sich eigentlich vorgenommen, wenigstens während seines Aufenthaltes in Rom gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wenn der Borgia Papst war, dann mußte man ihn als Freund gewinnen, das gebot der gesunde Menschenverstand. Aber er hatte Giovannis Unbotmäßigkeit noch nicht vergessen. In Florenz häuften sich die Schwierigkeiten, und jetzt schien ihm eine willkommene Gelegenheit gekommen zu sein, um seinem aufgestauten Zorn Luft zu machen.
»Wirklich, Giovanni, es wäre besser, du schweigst, wenn Leute reden, die älter und klüger sind als du. Was dabei herauskomme wenn du ihrem Rat nicht folgst, haben wir ja alle gesehen.«
Der jüngere Medici errötete und öffnete den Mund für eine ebenso heftige Entgegnung, doch sein Begleiter legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm und sprach leise auf ihn ein. Giovanni schloß den Mund wieder, starrte auf seinen Teller und schwieg. Piero fühlte fast ein Gefühl der Dankbarkeit in sich aufsteigen; denn inzwischen war ihm der Gedanke gekommen, daß es sich schlecht mit seiner Würde vertrug, der halben florentinischen Kolonie in Rom das Schauspiel eines Familienstreits zu bieten, und er entschloß sich, bei Gelegenheit ein paar freundliche Worte an Giovannis Nebenmann zu richten. Wie war noch sein Name? Ah, richtig, es handelte sich um Fra Mario Volterra, einen von Mirandolas geistlichen Bekannten, der sie in den alten Tagen öfter besucht hatte. War er nicht auch in Careggi gewesen?
Piero war ganz in der Stimmung, wehmütig zu werden. Die Welt aus Kunst, Macht und Geld, die ihm sein Vater hinterlassen hatte, zerbrach unter seinen Händen. Mit der Bank konnte er überhaupt nichts anfangen, die platonische Akademie löste sich auf, und die Florentiner Signoria bildete sich offensichtlich ein, mit ihm wie mit einem grünen Jungen umspringen zu können. Damit nicht genug, bereitete ihm seine eigene Familie Schwierigkeiten. Vetter Gianni schien zu glauben, seine Hochzeit mit der adeligen Catarina Sforza erhebe ihn über Piero, Giovanni spielte den Eigensinnigen beim Konklave, und Contessina ließ die Vorbereitungen zu ihrer Heirat mit
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