Die Puppenspieler
des Aufruhrs im klaren waren, die Tore weit aufrissen und einander freudestrahlend in die Arme fielen.
In den folgenden Tagen ebbte die übermütige Stimmung des Volkes nicht etwa ab, sondern steigerte sich weiter. Die Girlanden, Blumengebinde und Spruchbänder, die in den Straßen aufgehängt wurden, waren bald nicht mehr zu zählen; wer sich nichts dergleichen leisten konnte, hängte einfach ein farbiges Tuch zum Fenster hinaus. Bald konnte man nicht mehr durch die Straßen zwischen Vatikan und Lateransbasilika gehen, ohne an allen Ecken und Enden auf Zimmerleute zu stoßen, die an Triumphbögen bauten, durch die der Papst bei seiner Krönung ziehen würde. Die Inschriften ließen Richard manchesmal daran zweifeln, daß Rom je wirklich christianisiert worden war.
›Rom war groß unter Caesar. Nun ist es noch größer. Caesar war ein Mensch, Alexander ist ein Gott‹, las er auf einer der hölzernen Nachahmungen des Konstantinbogens. Überhaupt waren Darstellungen Alexanders des Großen oder Alexanders III. jenes Papstes, der sich gegen Friedrich Barbarossa hatte durchsetzen können, jetzt überall gefragt, die Kosten schienen auf einmal keine Rolle mehr zu spielen. Richard hatte längst aufgegeben, sich zu wundern, allerdings fragte er sich manchmal, ob niemand in Rom über das nachdachte, was der Krönung folgen würde.
Er selbst hatte keinen Grund, Rodrigo Borgia, den neuen Alexander VI. für einen schlechteren Papst zu halten als einen seiner Vorgänger. Nur die Erinnerung an den offensichtlichen Gefallen, den der Sohn dieses Mannes damals an Saviya gefunden hatte, rief noch immer eine gewisse Feindseligkeit in ihm wach. Doch ganz abgesehen von jenem kurzen Aufwallen mörderischer Eifersucht löste die Hybris, mit der hier eine Papstkrönung inszeniert wurde, Unbehagen in ihm aus.
Am Abend der Krönung war Richard zu einem Bankett in der florentinischen Botschaft geladen und hatte eigentlich kein Bedürfnis, sich vorher den Umzug anzusehen, aber es war zweifellos eines der wichtigsten Ereignisse in Rom.
Mario mußte als Angehöriger eines Kardinalshaushalts an der Prozession teilnehmen, also stand Richard allein unter den Tausenden von Zuschauern, die sich wie er entschlossen hatten, den Zug von San Marco zu beobachten. Die Piazza Venezia bot besonders gute Sichtmöglichkeiten, und zudem war dort ein riesiger Stier errichtet worden, aus dessen Maul und Nüstern Wasser und Wein sprudelten. Als die Prozession sich unter Kanonendonner vom Vatikan her näherte, war selbst der verdrossenste Römer bereit, lauthals sein »Viva il Papa« zu rufen.
Tatsächlich dauerte es noch eine ganze Weile, bis der Papst zu sehen war. Dreizehn Schwadronen schwerbewaffneter Reiter eröffneten den Zug. Richard, der selbst bei Maximilians Besuch in Augsburg nicht so viele Bewaffnete auf einem Haufen erlebt hatte, überlegte, ob das wohl auch ›üblich‹ war oder ob Alexander VI. bereits Stärke gegenüber dem einheimischen Adel demonstrieren wollte. Nach der endlosen Reihe von Rittern folgten die Gesandtschaften der verschiedenen Stadtstaaten Italiens. Die Florentiner Gesellschaft befand sich mit an der Spitze, doch zu Richards Verblüffung wurde sie nicht vom Botschafter angeführt, den er inzwischen kannte, sondern von einem verbissen wirkenden Piero de'Medici. Was tat Piero hier? Man sollte meinen, dachte Richard, Florenz zu regieren, besonders mit Savonarola im Rücken, wäre zu zeitraubend, um sich noch den Luxus zu gestatten, bei der päpstlichen Krönung mitzumarschieren.
Eine gewaltige Welle von Purpur und Weiß kündigte das Erscheinen der Bischöfe und Kardinäle an, die jeweils von zwölf Männern aus ihrem Gefolge begleitet wurden. Richard reckte den Hals, um Mario ausfindig zu machen, und suchte deswegen zuerst nach Giovanni de'Medici. Der kleine Kardinal ging zwischen den wuchtigen Gestalten um ihn herum fast unter, aber schließlich fand Richard ihn und stellte fest, daß Giovanni nur wenig besser gelaunt aussah als sein Bruder. Mario kam direkt hinter ihm, starr geradeaus schauend.
Doch sowohl die Brüder Medici als auch Mario Volterra gaben noch ein Bild der Freude ab, verglichen mit der Miene des Generalkapitäns der Kirche, Virginio Orsini, der das neue Kirchenbanner trug, das Wappen der Borgias: ein riesiger roter Stier. Richard hörte ein paar Leute in seiner Umgebung lachen, andere schimpfen, doch die meisten schrien sich vor Begeisterung die Kehle aus dem Hals, denn nach der Monstranz folgte der Papst
Weitere Kostenlose Bücher