Die Puppenspieler
habt. Schuldscheine über Euer gesamtes Vermögen sollten es schon sein.«
Vittorio fiel es wie Schuppen von den Augen. Er dachte an Fabios gehetztes Auftreten in der letzten Zeit. Das war genau die Art von hinterlistiger Intrige, die Fabio ähnlich sah, und der Orsini hielt es vermutlich auch noch für einen guten Witz. Aber nicht mit mir, schwor sich Vittorio. Nicht mit Vittorio de'Pazzi.
»Ihr glaubt doch nicht«, sagte er höhnisch, »daß ich Euch auch nur einen einzigen Dukaten überschreiben werde.«
»Das liegt bei Euch«, meinte der Maskierte trocken. »Wir verlangen das Geld natürlich nicht ohne Gegenleistung. Von jetzt an werdet Ihr für jede Mahlzeit, die Ihr erhaltet, bezahlen.«
Man band ihm die Augen zu und brachte ihn in ein dreckiges Loch. Den Geräuschen nach zu urteilen, teilte er sein Gefängnis mit Ratten.
»Kann ich jetzt gehen?« fragte Fabio Orsini mürrisch. Er fröstelte ein wenig, obwohl es warm war in Fiammettas Haus; man hatte ihm lediglich ein neues Hemd gegeben, damit er Pazzis Diener wegschicken konnte.
»Aber gewiß doch, Cavaliere«, erwiderte das Mädchen mit den grünen Augen. »Wir bringen Euch gleich an einen Ort, von dem aus Ihr Euch frei bewegen könnt. Nur würde ich Euch nicht raten, sofort eine Suchtruppe für Messer de'Pazzi zusammenzustellen oder sonst etwas Unüberlegtes zu tun. Nachdem Ihr allein seine Leibwächter fortgeschickt habt, werdet Ihr es nämlich sehr schwer haben, Messer de'Pazzi und seinen Leuten weiszumachen, daß Ihr nicht gerne mit uns zusammengearbeitet habt – wo Eure Schulden doch jetzt von seinem Vermögen bezahlt werden.«
Fabios Gesicht verzerrte sich zu einer bemerkenswerten Mischung aus Zorn, Überraschung, Zweifeln und plötzlich auftauchenden Einsichten.
»Meine Schulden?« wiederholte er lauernd. »Für jeden Tag, an dem Messer de'Pazzi in unserer Obhut weilt … erhaltet Ihr einen Schuldschein seiner Bank.«
Saviya beobachtete, wie seine Augen gierig aufleuchteten. Es war, wie Riccardo gesagt hatte – dieser stolze Orsini, der vorgab, Handelsleute fast so sehr zu verachten wie das dumme Vieh, schnappte nach einer prallen Börse, die man ihm vor die Nase hielt, wie ein Fisch nach dem Köder und war durchaus bereit, dafür einen Freund im Stich zu lassen. Ihr war selbst daran gelegen, sich mit Geld vor Verfolgung und Armut zu schützen, aber wenn sie sah, was Reichtum aus den Gorgios machte, dann fragte sie sich, ob der Woiwode und die Weisen nicht recht hatten, ob Besitz nicht etwas war, von dem man sich nicht abhängig machen sollte.
Sie übergab Orsini zwei Leuten der Königin, die ihm erneut die Augen verbanden und fortführten, und machte sich auf die Suche nach Richard, den sie schließlich im Garten des Palazzo fand. Er stand in Gedanken versunken vor einer Statue. Sachte berührte Saviya ihn an der Schulter.
»Wir müssen jetzt gehen, Riccardo. Fiammetta erwartet zwar heute niemanden, aber einige ihrer … Freunde kommen manchmal unerwartet, und …«
»Gewiß«, antwortete Richard abwesend und musterte grübelnd das marmorne Profil – eine Kopie, soweit er feststellen konnte, doch sehr gut gemacht. Pallas Athene, die Göttin der Weisheit. Eine seltsame Wahl für eine Kurtisane – oder auch nicht. Diese Statue hier zeigte den Schild mit dem Gorgonenhaupt bis in die kleinste Einzelheit ausgeführt, und in den Schlangen, die sich ihm entgegenzustrecken schienen, sah Richard plötzlich ein Symbol für die Stadt Rom, wie er sie kennengelernt hatte. Die Schönheit der Antike vermengt mit einem Vipernnest. Er war noch am Leben, aber manchmal kam ihm jeder Atemzug wie ein Wunder vor.
»Saviya«, sagte er unvermittelt, »weißt du, daß du mir nicht nur das Leben gerettet hast, sondern mir auch die Möglichkeit eröffnet hast, es völlig anders zu führen? Wenn das hier vorbei ist, könnten wir die Stadt verlassen, frei …«
Jäh trat sie einen Schritt von ihm zurück. »Du könntest es«, sagte sie leise. Die Versonnenheit wich aus Richards Zügen und machte einer leblosen Nüchternheit Platz. »Richtig. Ich könnte es.«
Irgendwo in der Nähe mußte sich eine Küche befinden. Vittorio de'Pazzi hätte nie geglaubt, daß ihn allein der Duft nach gesottenem Huhn oder gebratenem Fisch fast wahnsinnig machen könnte. Er hatte sich schon öfter in seinem Leben auf die Folter vorbereitet, war sicher gewesen, sich dem Streckbett und den spanischen Stiefeln widersetzen zu können, wie es sich für einen Pazzi gehörte. Aber
Weitere Kostenlose Bücher