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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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in Florenz gefordert hatte.
    Freiheit. Aber Freiheit wozu? Niemand konnte sich frei von Erinnerungen und Schuldgefühlen machen. »Ich kehre zurück«, sagte Richard.
    Die Königin neigte den Kopf. »Es ist Eure Wahl.«

36
    D URCH DIE S TRASSEN von Rom zu laufen, ohne Maske, zu spüren, wie der kühle Herbstwind ihm ins Gesicht blies, das Gewirr unzähliger Stimmen zu hören ließ ihn sich wie ein Fremder aus einer anderen Welt vorkommen und machte ihm erst klar, wie lange er in den Katakomben gelebt hatte. Es war, als ob er Rom ein zweites Mal entdecken würde, und diesmal nahm er auch die Bettler an den Ecken wahr, erkannte einige Kinder, die sich geschickt an Passanten heranschlichen, um dann mit einer Börse davonzurennen, sah die Frauen, die nicht wie Fiammetta das Glück gehabt hatten, einige reiche Gönner zu finden. Statt römischer Ruinen sah er mit einem Mal das römische Leben.
    Und am seltsamsten war, daß ihm das alles viel vertrauter erschien als der überfüllte Handelshof, den er schließlich betrat. Er berührte einen der herumliegenden Stoffballen, wie um sich zu vergewissern, daß dieser tatsächlich vorhanden war.
    »Richard! Aber das ist doch … Richard!«
    Eine deutsche Stimme mit schwäbischem Akzent beendete seine Gedanken. Es war nicht Johannes Zinks Stimme, es war überhaupt kein Angestellter des Unternehmens. Als Richard sich umdrehte, lief Ulrich Fugger der Jüngere, der freudestrahlende Hänsle, ihm entgegen. Einen Moment lang erschien es Richard, als hole ihn mit Hänsle seine Vergangenheit wieder ein. In der nächsten halben Stunde brauchte er kaum ein Wort zu sagen, während Hänsle darauflosschwatzte.
    »Zum Teufel, Richard, du weißt gar nicht, was du angerichtet hat. Als ich in Venedig den Brief von Onkel Jakob bekam, noch dazu per Eilkurier, na, da dachte ich, jetzt bin ich fällig. Zurück nach Augsburg. Ich habe da nämlich einige kleinere Schulden – ist ja gleichgültig. Jedenfalls wäre mir ein Donnerwetter von Onkel Jakob lieber gewesen als die Nachricht, daß Zink dich für tot hielt, er aber nicht, Onkel Jakob, meine ich. Er befahl mir, sofort nach Rom zu reisen, um dich zu suchen und auf alle Fälle die Umstände deines Verschwindens zu klären, ›um mich endlich nützlich zu machen‹, wie er schrieb. Im übrigen finde ich diesen Ausdruck schon ein bißchen beleidigend. Was heißt hier endlich? Also, los ging's nach Rom, und ich muß dir sagen, Richard, diese Leute, mit denen du hier verkehrst, die sind noch schlimmer als die elenden Welser bei uns daheim. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis mich der Kerl, bei dem du zuletzt gesehen wurdest, überhaupt empfing. Seine Diener tischten mir eine unmögliche Geschichte auf von wegen Entführung, aber er war noch schlimmer. Zog eine Miene, als hätte ich irgendeinen üblen Gestank an mir, und behauptete, du hättest dich mit irgendeiner Schlampe verdrückt. ›Es scheint, daß ihr Tedeschi eure barbarischen Instinkte nicht sehr gut zügeln könnt‹, sagte er doch tatsächlich zu mir, ›und so etwas kann in Rom natürlich gefährlich werden.‹ Also, da ist mir endgültig der Kragen geplatzt. Ich sagte ihm, das sei die dümmste Lüge, die ich je gehört hätte. Mein Vetter Richard? Mit einem leichten Mädchen? Da ist es schon wahrscheinlicher, daß der Papst heiratet, mein Herr, habe ich gesagt, und dann fing er an zu lachen und ließ mich doch glatt von seinen Dienern hinauswerfen. Und das schlimmste war, daß diese Wichte noch nicht einmal Geld für Informationen über dich von mir annehmen wollten. Warte, bis ich das nach Hause schreibe. So kann man mit einem Fugger nicht umspringen!«
    Hänsle hielt ein wenig atemlos inne und musterte Richard mißtrauisch. Sein Freund sah aus, als wollte er lachen; Richards Mundwinkel zuckten, aber er beherrschte sich. Mit einer für Richard mehr als ungewöhnlichen Geste legte er Hänsle beide Hände auf die Schultern und sagte mit unverkennbarer Aufrichtigkeit: »Hänsle, ich habe dich vermißt!«
    »Nun ja«, meinte der angenehm berührte Hänsle ein wenig verlegen, »längst nicht so sehr, wie wir dich vermißt haben. Wo hast du nun eigentlich gesteckt?«
    Was Richard ihm erzählte, war im wesentlichen das, was jeder, außer Jakob, von seinem Verschwinden erfahren würde und was er sich schon lange zurechtgelegt hatte; er sei auf dem Weg von Fabio Orsini zum Handelsviertel niedergeschlagen und seines gesamten Hab und Guts beraubt worden, die Räuber hätten ihn als tot zurückgelassen,

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