Die Puppenspieler
waren über dem Kopf gefesselt, vermutlich mit der Decke verknüpft, und ihm war kalt.
»Falls ihr auf Lösegeld aus seid«, rief er mehr erzürnt als erschrocken in die Dunkelheit hinein, »dann laßt euch gesagt sein, Diebesgesindel, daß es sehr töricht ist, einen Orsini zu entführen.«
Von mehreren Stellen hallte Gelächter wider. »Nein, durchlauchtigster Herr, wir wollen kein Lösegeld«, antwortete eine weibliche Stimme, »nur einen Brief.«
»Einen Brief?« fragte Fabio Orsini verdutzt.
»Einen Brief von Eurer Hand an Euren teuren Freund Vittorio de'Pazzi, in dem Ihr ihn auffordert, so schnell wie möglich in das Haus der Fiammetta zu kommen.«
Fiammetta war die derzeit teuerste Kurtisane der Stadt, und zu ihren Liebhabern zählte gerüchtehalber sowohl der Papst als auch Kardinal Colonna. Fabio war sich nun sicher, in ein Netz der Borgia oder der Colonna gestolpert zu sein, und er schwor sich, die Schuldigen für diese demütigende Gefangennahme bezahlen zu lassen. Wütend zerrte er an seinen Stricken.
»Ich werde nichts dergleichen tun!«
»Überlegt es Euch«, erwiderte die junge weibliche Stimme spöttisch. »Das Wasser, in dem Ihr steht, kommt aus dem Tiber, und es steigt. In einer Stunde wird diese Höhle so weit gefüllt sein, daß es Euch bis zu den Armen reicht. In zwei Stunden seid Ihr tot.«
Bis dahin, dachte Fabio grimmig, sollten seine beiden Leibwächter längst die Familie alarmiert und ihn gefunden haben. Dann erinnerte er sich wieder, daß er ihnen befohlen hatte, sich zu trollen, bis er sein Vergnügen gehabt hatte, und das dauerte ihrer Erfahrung nach gut und gerne zwei bis drei Stunden. Dennoch, ein Orsini ließ sich nicht erpressen. Er schwieg und ignorierte das steigende kalte Naß. Schritte entfernten sich, und mit einem ersten Hauch von Entsetzen wurde ihm bewußt, daß er allein war.
»Ich verstehe nicht, warum du nicht selbst mit ihm sprechen willst«, wandte sich Saviya an Richard, während sie durch die Katakomben gingen. »Schließlich ist er dir jetzt doch ausgeliefert.«
»Aber das bleibt er nicht. Wenn er wieder frei ist, würde er sich rächen, und ich habe keine Lust, noch einmal vergiftet zu werden. Und ein Fremder bringt keinen Orsini um. Nur … ein Pazzi könnte es tun.«
»Du hast dich verändert, Riccardo«, sagte Saviya und sah ihn an. Seit er wieder gesund geworden war, hatte sie den Reisig befragt. Aber die Zeichen für Richards Zukunft waren nicht klar zu lesen. Früher wäre er nicht imstande gewesen, einen Plan auszuhecken, wie er ihn der Königin und ihr erläutert hatte. Saviya konnte seine Gedanken und Gefühle nachvollziehen, aber sie wußte nicht, ob sie sich freuen oder es ablehnen sollte, daß er ihrer eigenen Welt ein Stück nähergerückt war.
»Wenn man zwei tollwütige Hunde hat, dann hetzt man sie aufeinander, so einfach ist das«, sagte Richard sachlich. »Jetzt kommt es nur noch darauf an, daß Fiammetta mitspielt. Sie selbst ist in keiner großen Gefahr. Sie hat allerdings auch keinen Grund, uns zu helfen.«
»Sie ist immer noch mit der Königin befreundet. Sie wird sich an die Abmachung halten. Aber bist du sicher, daß dieser Puttano da unten schreiben wird?«
Die Kerze, die Richard hielt, warf seltsam gezackte Schatten an die Wand. »Ganz sicher.«
Er hatte recht. Fabio Orsinis Entschlossenheit, nicht nachzugeben, schmolz mit der steigenden Flut. Überdies hatte Fabio bemerkt, daß in dem Wasser ein guter Teil des römischen Abfalls mitschwamm. Der Gestank wurde immer unerträglicher. Schließlich schrie er um Hilfe. Als dieselbe Stimme ihn noch einmal aufforderte, den Brief zu schreiben, hieß er sie beinahe als Retterin willkommen.
Doch nachdem man ihn aus der Kloake gezogen hatte, kehrte ein Teil seiner Arroganz zurück. »Mit einer Binde vor den Augen kann ich nicht schreiben«, erklärte er mürrisch. »Außerdem wird Vittorio sowieso nicht darauf hereinfallen. Warum sollte er Fiammetta besuchen? Oder ich? Was das angeht …«
»Weil sie Euch eine wichtige Information verkaufen will. Doch nur gegen sofortige Bezahlung, und wie Messer Vittorio weiß, habt Ihr nie genügend Geld.«
Man führte ihn in ein anderes Gewölbe und nahm die Binde ab; er schaute auf ein paar maskierte, bewaffnete Gestalten und einen überraschend edlen, feingeschnittenen Tisch nebst Schreibzeug. Fabio versuchte, sich an seinen Entführern Merkmale einzuprägen. Das unverschämte Mädchen, das ihm den Brief diktierte, hatte grüne Augen. Selbst im
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