Die Puppenspieler
bekommen.«
»Und wie«, erkundigte sie sich, »sieht Euer Plan aus?«
Unwillkürlich trat Richard einige Schritte näher. »Ich bin bereits im Vorteil, weil mich die beiden für tot halten, und das soll auch so bleiben. Ich werde Pazzi über Orsini angreifen, weil ich glaube, daß Fabio Orsini eine schwache Stelle hat. Pazzi mag der Argwohn in Person sein, aber Orsini nicht.«
Die Königin lachte, ein seltsam freudloses, unruhiges Geräusch, das kaum zu ihrer melodischen Stimme paßte. »Ah, Fabio Orsini mit seinen verschwiegenen kleinen Lastern! Sprecht weiter, Tedesco. Ich denke, ich ahne schon, worauf Ihr hinauswollt.«
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D IE N ACHT WAR NOCH NICHT ALT , als Fabio Orsini sich auf den Weg machte, eher unfreiwillig, denn er konnte sich Angenehmeres vorstellen als einen großen Familienrat. Allerdings machten die Ereignisse der letzten Tage ein derartiges Treffen notwendig. Der Sohn des vergangenen Papstes, Franceschetto Cibo, der sich ausrechnen konnte, daß ihm der jetzige Papst die beiden mächtigsten Festungen vor Rom nicht als Lehen lassen würde, hatte sie auf Vermittlung von Kardinal della Rovere an Virginio Orsini verkauft. Hätte Onkel Virginio, überlegte Fabio ärgerlich, nicht in seiner Eitelkeit noch gleichzeitig das Amt des obersten Befehlshabers der neapolitanischen Truppen akzeptiert, hätten die Orsini wohl nicht so schnell das Mißtrauen des Papstes geweckt. Aber Alexander VI. war nicht bereit, die Truppen des machthungrigen Ferrante von Neapel unmittelbar vor den Toren der Heiligen Stadt untergebracht zu akzeptieren. Eine Kriegserklärung gegen Ferrante und die Orsini wurde daher mit jedem Tag wahrscheinlicher, zumal Giuliano della Rovere, gewiß kein Feigling, sich in Rom so unsicher fühlte, daß er sich in seine Burg nach Ostia zurückgezogen hatte.
Kein Wunder, dachte Fabio. Wenn man es genau besah, waren die Rovere fast solche Emporkömmlinge wie die Borgia – Giuliano war ebenso wie Rodrigo Borgia von einem päpstlichen Onkel nach Rom geholt worden –, obwohl man ihnen zugute halten mußte, daß sie zumindest keine Spanier waren. Aber auch ein arroganter Katalane wie Rodrigo Borgia – Alexander, wahrhaftig! – würde es nicht wagen, ernsthaft gegen die Orsini vorzugehen. Die Orsini und die Colonna hatten bereits früher Päpste und Kardinäle mit Gewalt gezwungen, ihren Wünschen zu folgen, und sie würden es wieder tun. Also beeilte sich Fabio nicht sonderlich auf dem Weg. Er hatte im Grunde nichts zu befürchten, außer von den Colonna, und seine Leibwächter waren bestens ausgebildet und hatten ihm schon mehrmals das Leben gerettet.
Als er an seiner bevorzugten Taverne vorbeikam, begann er zusehends in seinem Entschluß zu wanken. Zum Teufel, so ein Familienrat war eine langweilige Angelegenheit. Warum mußte er von Anfang an dabei sein? In diesen Tagen verbrachte er seine Zeit ohnehin viel öfter in Gesellschaft seines Vaters und der Verwandten, als ihm lieb war.
Der warme Dunst der Taverne hatte ihn noch nicht ganz eingehüllt, als der Wirt ihn schon erkannte, sich verbeugte und ihm und seinen Begleitern einen Tisch zuwies. Für Fabio war die eifrige Dienstbarkeit, mit der man ihn empfing, so selbstverständlich wie der morgendliche Sonnenaufgang. Er zog es im allgemeinen vor, bei Freunden in einem Palazzo zu speisen, doch hin und wieder, wenn er mehr als nur kulinarische Genüsse im Sinn hatte, kam er an Orte wie diesen. Sich mit dem ungehobelten Volk abzugeben, verlieh seinen Ausflügen einen zusätzlichen Reiz.
Es dauerte denn auch nicht lange, bis sich ein hübscher junger Bursche zu ihm gesellte. Normalerweise war er wählerischer, brauchte länger, um sich zu entscheiden, aber ein Rest von schlechtem Gewissen der Familie gegenüber hinderte ihn daran, seinen Aufenthalt in der Taverne allzusehr auszudehnen.
» Allora , gehen wir, bello «, sagte er, legte seinen Arm um die Schulter des Jungen und deutete nach oben. Er hatte sich schon lange angewöhnt, nicht als erster eine unbekannte Treppe hinaufzusteigen oder fremde Räume zu betreten. Aber er dachte nicht daran, sich auch den Rücken zu sichern, und erst in der Sekunde, als ihn ein gewaltiger Schlag auf den Hinterkopf traf, erkannte Fabio Orsini, daß es ein Fehler gewesen war, sich dem Familienrat durch einen Zwischenaufenthalt in dieser Taverne zu entziehen.
Das erste, was er feststellte, als er wieder aufwachte, war, daß man ihm die Augen verbunden hatte und daß es um seine Füße feucht war. Seine Hände
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