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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sei im Moment wohl nicht in Gefahr, obwohl sie sich nicht geändert habe.
    Jakob gegenüber erwähnte er Saviya nicht, schrieb aber ansonsten die Wahrheit über seinen Aufenthalt in den Katakomben: »Es könnte sein, daß der Papst bald mehr von Euren Schweizern benötigt, wenn sich die Orsini tatsächlich mit Waffengewalt gegen den Entzug des Generalkapitänsamtes wehren werden.
    Beurteilung der Orsini: Ich glaube, sie werden kämpfen. Alle Orsini, die ich bisher kennengelernt habe, verfügen über einen an Wahnsinn grenzenden Stolz, der sich mit ungeheurer Selbstgefälligkeit mischt. Daß sich die Familie so lange halten konnte, erklärt sich sicher nicht nur mit Tradition; zweifellos sind einige von ihnen sehr intelligent, doch meiner Meinung nach sind das die Älteren. Die jüngeren Orsini könnten, übernähmen sie die Führung, die Familienmacht verlieren, zumal Gerüchten zufolge Ferrante von Neapel sehr krank ist, und es sich fragt, ob sein Nachfolger die Orsini ebenfalls unterstützen wird.
    Beurteilung des Papstes: Mein erster persönlicher Eindruck steht nicht im Widerspruch zu dem, was Ihr vor Jahren von Magister Pantinger gehört habt. Sehr skrupellos und sehr fähig. Allenfalls könnte ihm, wie den Orsini, sein Familienstolz zum Verhängnis werden. Nach dem, was ich von den hiesigen Adelsfamilien gesehen habe, werden sie lieber alle Zwistigkeiten begraben und sich gegen ihn verbünden, als zuzulassen, daß eine Außenseiterfamilie alle wichtigen Ämter erhält.«
    Er zögerte noch etwas und ließ die Feder, die er hielt, von einer Hand in die andere gleiten, dann setzte er impulsiv hinzu: »Falls Ihr durch meinen Ausfall Schwierigkeiten hattet, tut es mir leid. Aber ich hatte und ich habe nicht die Absicht, das Spiel abzubrechen.«
    Es war nicht ganz leicht, an alle abgerissenen Kontakte wieder anzuknüpfen, und in den nächsten Tagen war Richard ständig unterwegs. Dabei mied er bewußt alles, was mit den Orsini zu tun hatte, war sich aber im klaren darüber, daß seine ›Auferstehung‹ sich irgendwann bis zu ihnen herumsprechen würde. Schon bald teilte ihm Zink vergnügt mit, daß Richard zu dem Bankett, welches der Papst zu Ehren der spanischen Könige gab, eingeladen war. Bei dieser Gelegenheit wurde, um den jüngsten Sieg über die Mauren zu würdigen, den Spaniern der Titel ›katholische Könige‹ verliehen.
    »Und der Heilige Vater hat sich persönlich nach Euch erkundigt, als er mich empfing! Fürwahr, mein lieber Richard, das ist ein gutes Omen.«
    Richard war sich dessen nicht so sicher. Doch er mußte zugeben, daß die Neugier in ihm immer noch zu stark war, um eine solche Einladung auszuschlagen oder Krankheit vorzuschützen, ganz abgesehen davon, daß eine Absage für jemanden, der sich gerade entschieden hatte, wieder geschäftlich in Rom tätig zu werden, eine unverzeihliche Dummheit gewesen wäre. Also begab er sich, in Begleitung Hänsles, der es überhaupt nicht eilig hatte, nach Venedig oder gar Augsburg zurückzukehren, und von ein paar gutbezahlten Leibwächtern gefolgt, an dem bewußten Abend in den Vatikan.
    Die von Alexander bestellten Zimmerleute und Maler schienen ihre Arbeiten zum größten Teil beendet zu haben, denn in dem Bankettsaal, in den Richard geführt wurde, war ein neues Deckenfresko zu bewundern. Es zeigte, anders als die Gemälde, die er bisher in Rom gesehen hatte, keine christlichen Motive oder Heiligenlegenden. Hänsle war Richards prüfendem Blick gefolgt und runzelte verwirrt die Stirn.
    »Was soll denn das sein? Irgendein Märtyrer, der gerade zerstückelt wird?«
    »Es ist die Geschichte von Isis und Osiris«, antwortete Richard nachdenklich. »Ich hätte nicht gedacht, daß der Heilige Vater sich für ägyptische Mythen interessiert.«
    Widerstrebend riß er sich von dem wirklich exzellent ausgeführten Deckengemälde los und wandte seine Aufmerksamkeit dem bunten Gewirr vor ihm zu. Er schätzte die Zahl der Gäste, die zur Feier der neuen ›katholischen Könige‹ geladen worden war, vorsichtig auf dreihundert.
    »Sollten wir nicht jetzt seine Heiligkeit …« begann Hänsle zögernd, und Richard schüttelte den Kopf. Sie seien keine Ehrengäste, mahnte er seinen Vetter, hätten somit auch nicht Anspruch auf einen Platz bei Tisch und eine offizielle Begrüßung durch ihren Gastgeber.
    »Am besten, wir suchen uns unauffällig eine Ecke, von der aus wir alles beobachten können«, schloß er und fügte hinzu: »Es wäre wirklich besser, wenn wir

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