Die Puppenspieler
Stimme noch etwas. »Die beiden jüngeren Söhne seiner Heiligkeit, Juan und Joffre.«
Richard sah mit einem Mal wieder Savonarola vor sich, wie er gegen die Sünden der Kirche wetterte. Er versuchte, sich Savonarola in Rom vorzustellen, mit Alexander VI. statt Lorenzo de'Medici als Angriffsziel. Die Blume der Hölle? dachte er und musterte das festliche Treiben, das ihn umgab. Gewiß, aber es ist nicht Florenz, Frater. Nicht Florenz. Warum seid Ihr nie nach Rom gegangen?
Aber im Duomo zur Buße aufzurufen und gegen die Medici zu predigen, war eine Sache; es in Rom zu tun, eine andere. Richard hatte den Skandal nicht vergessen, den die laut und offen gestellte Frage von Cesare Borgia an Lorenzo hervorgerufen hatte: »Warum laßt Ihr ihn nicht umbringen?«
Als ihn im Gedränge zwischen den Tischen jemand ansprach, schrak er zusammen, denn es war genau dieselbe Stimme, die er aus der Vergangenheit widerhallen gehört hatte, und einen Augenblick glaubte er, seine Phantasie spiele ihm einen Streich. Vor ihm stand der älteste Sohn des Papstes.
»Verzeiht, aber Ihr seid doch Riccardo Artzt … vom Unternehmen Fugger?« wiederholte Cesare Borgia freundlich, mit einer leicht gehobenen Augenbraue. Er trug keine Kardinals- oder Bischofsrobe, und nur die Andeutung einer Tonsur war in seinem dichten braunen Haar zu entdecken. Lediglich der Ring an seiner Hand ließ erkennen, daß der Papst seinen Sohn vom Bischof von Pamplona zum Kardinal von Valencia gemacht hatte. Richard fiel auf, daß der Mann im Vergleich zu seinem Besuch in Florenz sehr schlicht gekleidet war. Während die beiden Jungen neben dem Papst in bunten, goldbestickten Stoffen geradezu wie Paradiesvögel wirkten, trug Cesare Borgia Schwarz.
Während Richard höflich die Begrüßung erwiderte, wallte in ihm wieder die Feindseligkeit auf, die der junge Kardinal damals, ohne es zu wissen, in ihm erweckt hatte. Zynisch dachte er, daß sein Gegenüber sich wohl sehr genau bewußt war, wie eindrucksvoll seine Schlichtheit gerade in dieser prächtigen Umgebung wirkte. Die Leute drehten sich nach dem ältesten Sohn Rodrigo Borgias um und beobachteten ihn, während er mit Richard sprach.
»Ich habe von Eurer wundersamen Rückkehr gehört«, sagte Cesare Borgia, nachdem er auch Zink und Hänsle eines kurzen Kopfnickens gewürdigt hatte. »Nun kommt es in Rom gewiß oft vor, daß Leute überraschend verschwinden, aber daß sie dann wieder auftauchen … und zwar nicht aus dem Tiber, ist selten. Könnt Ihr mir Näheres darüber berichten?«
Richard entgegnete achselzuckend: »Es war ein Wunder, und für Wunder gibt es keine Erklärung. Ist die Ewige Stadt nicht der rechte Ort … für Wunder?«
Einen Moment lang war er sich nicht sicher, wie der Kardinal von Valencia seine Antwort aufnehmen würde.
Die Brauen zogen sich zusammen. Dann lachte Cesare Borgia. »In der Tat, dies ist der Ort für Wunder. Schließlich haben sich in den letzten Wochen gleich mehrere ereignet. Der allseits beliebte Vittorio de'Pazzi wird verrückt, so daß sich unsere guten Freunde, die Orsinis, gezwungen sehen, sich von ihm zu trennen, und mein besonders guter Freund Fabio kann endlich seine Schulden bezahlen. Wir sollten uns weiter darüber unterhalten. Kommt doch mit an meinen Tisch … mit Euren Begleitern«, fügte er rasch hinzu.
Hänsle hatte von all dem kein Wort verstanden, er wußte auch nicht, wer der schwarzgekleidete Mann war. Er war nur froh, endlich einen Platz zu finden, und außerdem zeigte sich, daß der Tisch, auf den sie zusteuerten, in der Nähe des päpstlichen Tisches lag, und einige der Schönheiten, die er schon den ganzen Abend bewundert hatte, somit in seine Nähe rückten. Zink, der sehr wohl wußte, worum es sich handelte, unterdrückte mühsam das Bedürfnis, sich die Hände zu reiben. Richard fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits legte er nicht den geringsten Wert darauf, ausgerechnet mit diesem Mann näher bekannt zu werden, andererseits sah er die Möglichkeiten, die sich ihm hier boten.
»Cesare, wo warst du?« rief das Mädchen, das Richard vorhin, als sie neben dem Papst und seiner Geliebten gestanden hatte, flüchtig an Saviya erinnert hatte. »Juan will mir nicht glauben, daß es in Kastilien keine Palios gibt.«
Cesare lächelte ihr zu und erklärte dann: »Sie hat recht, Juan. Du wirst deine Rennpferde hierlassen müssen.«
»Bei dir?« gab der andere schlechtgelaunt zurück. »Damit es in Siena wieder einen Skandal gibt, so wie dieses
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