Die Puppenspieler
Aber Mario ist ein unbekannter Priester, er kann …«
Richard hörte nicht länger zu. Er wirbelte herum und rannte aus dem Hof hinaus. Er hätte selbst nicht sagen können, was genau er befürchtete, aber er sah Savonarolas ausgemergeltes, fanatisches Gesicht vor sich, und panische Angst ergriff ihn. Als er die Tür zu Zinks Kontor öffnete, fühlte er sich immer noch von einer unbestimmten Drohung getrieben.
»Meister Zink, Ihr müßt mir unbedingt einen Passierschein nach Florenz verschaffen, möglichst noch heute.«
Es sprach für Zinks diplomatische Fähigkeiten, daß er sich über Richards Überfall nicht einmal leise empört zeigte.
»Aber, mein lieber Richard, das ist unmöglich. Heute erreichte mich die Nachricht, daß Florenz und die Toskana …«
»Sich den Franzosen ergeben haben, ich weiß. Aber das spielt doch keine Rolle, nicht für das Unternehmen.«
»Ich fürchte doch. Denn seht Ihr, wiewohl der Heilige Vater uns Passierscheine für unsere Handelswege zur Verfügung stellt, würde er es gar nicht gerne sehen, wenn jemand ohne triftigen Grund hinter die feindlichen Linien geht. Im übrigen kann er zur Zeit gar keine Passierscheine genehmigen, weil er die Festung …«
»Es ist mir gleich, wo er sich befindet«, erwiderte Richard ungeduldig, »ich weiß, daß Ihr Passierscheine für Notfälle habt, in die nur der Name eingesetzt werden muß.«
Schlagartig machte die glatte Höflichkeit in Zinks Miene einer entschlossenen Kühle Platz. »Das mag sein, mein lieber Richard, aber Ihr habt mir noch immer nicht erklärt, um was für einen Notfall es sich handelt. Und Herr Fugger sähe es ebenfalls nicht gern, wenn Ihr den Namen des Unternehmens in irgendwelche Schwierigkeiten verwickelt.«
Jetzt, da Richard irgendeinen überzeugenden geschäftlichen Grund hätte erfinden müssen, der seine sofortige Anwesenheit in Florenz erforderte, ließ ihn seine Phantasie im Stich.
»Ich fürchte«, sagte er deswegen ehrlich, »ein Freund von mir, dem ich sehr viel schulde, hat sich dort in Gefahr gebracht.«
Zink erhob sich. »Es tut mir leid, aber das ist kein Grund, im Gegenteil, er beweist mir, daß ich Euch den Passierschein auf keinen Fall geben sollte. Ich habe nicht die Absicht, Herrn Fugger noch einmal von Eurem Tod unterrichten zu müssen.«
»Wer spricht denn hier von Tod?« gab Richard ungehalten zurück. »Gefängnisaufenthalt vielleicht, mehr befürchte ich nicht. Ihr könnt mich nicht zurückhalten, nur ohne Passierschein wächst die Gefahr, daß Ihr Herrn Fugger unangenehme Neuigkeiten überbringen müßt, um ein Beträchtliches.«
Er dachte, damit hätte er gewonnen. Doch Johannes Zink war in der Tat nicht umsonst von Jakob in Rom eingesetzt worden. Der Leiter der Faktorei konnte, wenn er es für nötig hielt, unnachgiebig wie Stein sein.
»In diesem Fall«, sagte Zink kühl, »wäre das Euer Fehler, nicht meiner. Und Ihr wäret es auch, der Herrn Fugger Erklärungen abzugeben hätte … falls Ihr überlebt. Und eines kann ich Euch versichern – Ihr mögt mit ihm verwandt sein, aber einen Angestellten, der sich so närrisch benimmt, hat er bisher noch immer entlassen.«
»Zum Teufel damit«, sagte Richard sehr leise und schloß die Tür hinter sich. Er war noch dabei, das Notwendigste zusammenzupacken, als es klopfte. In der Erwartung, daß Zink sich schließlich doch eines Besseren besonnen hatte, achtete er darauf, den Besucher nicht zu schnell hereinzubitten.
Doch es war nicht Zink. Vor Richard standen ein ungehaltener Schreiber und ein sehr dreckiger kleiner Junge, der von der gediegenen Umgebung des Handelshofes nicht im geringsten beeindruckt schien. »Dieses … Wesen behauptet, es hätte eine Botschaft für Euch«, verkündete der Schreiber, der an jedem Tag mehr bereute, daß er den Posten bei barbarischen Fremden angenommen hatte. Seine vorherigen Herren zahlten zwar weniger, aber sie wußten wenigstens, was sich gehörte. Umgang mit Pöbel zählte nicht dazu.
Der kleine Junge zwinkerte Richard zu und drückte ihm einen ziemlich zerknitterten Zettel in die Hand, dann stahl er sich plötzlich unter dem Arm des Schreibers davon und rannte fort. Der Schreiber war zu verblüfft und Richard zu sehr von der Botschaft gefangen, als daß sie ihn aufgehalten hätten. In eleganten Schriftzügen, die so gar nicht zu dem zerknitterten Papier paßten, stand dort:
»Wenn Euch an Eurer S. etwas liegt, dann kommt schleunigst zu mir. Sie haben sie eingesperrt, und alleine kann ich nichts
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