Die Puppenspieler
dagegen tun. Vernichtet diesen Brief.«
Überraschend leicht fand er den Weg durch die Katakomben. Er nahm an, daß es auch einen oberirdischen Weg zum Palazzo der Königin gab, doch kurz hinter dem Zugang zur Unterwelt wartete der Junge auf ihn, um ihn zu führen. Der Kleine ließ sich lachend über die Entrüstung des Schreibers aus, aber Richard hörte nicht darauf. Er war zu sehr damit beschäftigt, abwechselnd Saviya, Mario und die unbekannte Parze zu verfluchen, die seine beiden meistgeliebten Freunde gleichzeitig in Bedrängnis gebracht hatte.
Der dämmrige Raum war genauso, wie er ihn in Erinnerung hatte, doch die Königin war unverändert. Das flammende Rot, das sie trug, schien ihrer Stimmung zu entsprechen, und sie begrüßte Richard nicht mit spöttischer Zurückhaltung, sondern voll ungeduldiger Sorge.
»Höchste Zeit, daß Ihr kommt, Messer Riccardo. Ich dachte schon, der Junge habe Euch nicht gefunden, oder meine kleine Hexe hätte sich in Euch geirrt.«
»Was ist geschehen?«
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte die Königin. »Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man die Orsini herausfordert. Eure Schuld, aber noch mehr meine, denn Ihr seid nur ein junger Narr, ich aber hätte es besser wissen müssen.«
»Was«, wiederholte Richard aufgebracht, »ist geschehen?«
»Habt Ihr nicht auch den Eindruck gehabt, daß die Orsini in den letzten Wochen viel friedlicher waren? Sie taten alles, was Seine Heiligkeit von ihnen verlangte. Ich dachte, sie würden es noch einmal bei Fiammetta versuchen, und Ihr könnt mir glauben, unsere Leute haben Fiammetta bewacht wie eine Reliquie. Aber wir alle haben Fabio Orsini unterschätzt. Ich weiß nicht, wie er herausgefunden hat, wer Saviya ist, aber er hat es. Und die Umstände sind denkbar ungünstig. Erstens befindet sich der Papst zur Zeit nicht in Rom. Zweitens obliegen damit einige unwichtige Aufgaben, wie zum Beispiel die Keuschheitskommission, einzig und allein Kardinal Orsini.«
»Die was?«
»Die Kommission für Keuschheit, o ja, die gibt es hier, Riccardo. Ein ziemlich bedeutungsloses Amt, wie Ihr Euch vorstellen könnt, und meistens Leuten übertragen, die man nicht besonders schätzt. Die Überwachung des Lebenswandels der höheren Prälaten. Doch in dieser Woche bekam die Kommission tatsächlich etwas zu tun. Es ging eine Anzeige ein gegen eine junge Frau, der man eine unlautere Beziehung zu einem sehr hochrangigen Prälaten nachsagt.«
Langsam erkannte Richard das feingesponnene Intrigennetz. Wie hatte er nur so töricht sein können, anzunehmen, die Angst um sein Vermögen würde einen dieser rachebesessenen Orsinis zurückhalten? O ja, er hatte auch in Erwägung gezogen, daß Fabio Orsini vielleicht doch den völligen Ruin in Kauf nehmen würde, nur hatte Richard mit einem neuen Giftschlag oder einem Dolchstoß gerechnet. Statt dessen hatte Orsini Saviya für seine Rache gewählt.
»Leider ist das noch nicht alles«, fuhr die Königin fort. »Man wirft ihr nämlich auch noch vor, diese Beziehung durch zauberische Mittel herbeigeführt zu haben, durch Magie. Man beschuldigt sie der Hexerei. Nun, auf den letzten Vorwurf müssen wir in unserer Welt immer gefaßt sein, und gewöhnlich habe ich genügend Beziehungen, um jeden meiner Leute zu schützen. Aber diesmal hat man mir zu verstehen gegeben, daß man – daß fast alle maßgeblichen Männer in Rom entzückt wären, den Kardinal von Valencia in eine derartige Angelegenheit verwickelt zu wissen.«
40
K ARDINAL O RSINI WAR EIN sehr alter Mann, in der Tat der einzige noch lebende Orsini seiner Generation. Doch sein Alter hatte ihn nicht blind dafür gemacht, daß man ihm innerhalb des Kardinalskollegiums nur noch unwichtige Aufgaben übertrug. Die Tatsache, daß der Papst ihm das bedeutende Amt der Pfründenverwaltung für die Romagna entzogen und ihm statt dessen die Kommission für Keuschheit unterstellt hatte, betrachtete er als persönliche Beleidigung. Schon öfter hatte er seiner Familie damit in den Ohren gelegen. Um so begieriger griff er den Vorschlag Fabios, den er bisher für einen eher unnützen, eitlen Jüngling gehalten hatte, auf.
»Könnt Ihr Euch das vorstellen?« fragte er seinen Sekretär schmunzelnd: »Der Katalane kommt zurück, und ich sage ihm: Euer Heiligkeit, ich bedaure, aber mein Amt verlangt von mir, Euch darauf aufmerksam zu machen, daß der Kardinal von Valencia sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat. Nein, man kann die Sache nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher