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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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deswegen um eine Auflösung von Lucrezias Ehe bemüht, damit sie ungestört mit ihr Blutschande treiben könnten!«
    »Nein!« rief die Tischgesellschaft erschüttert. Das Gesprächsthema für die nächsten Wochen war gesichert.
    Richard war wohl einer der wenigen Menschen in Rom, die sich danach dennoch mehr mit dem Nahen der französischen Armee beschäftigten als mit den Anschuldigungen des rachsüchtigen Giovanni Sforza. Erst jetzt wurde ihm bewußt, wie viel Florenz ihm immer noch bedeutete – der Ort, an dem er glücklich gewesen war. Die Vorstellung eines belagerten oder gar niedergebrannten Florenz, das seine Lebensfreude gegen Blut und Tod eintauschte, quälte ihn jede Nacht. Er war nur froh, daß Mario als Priester niemals an einer Schlacht teilnehmen mußte.
    Für sich selbst fürchtete er nicht. Wenn etwas in Kriegszeiten noch dringender benötigt wurden als Waffen, dann war es der Handel, aufrechterhalten von Kaufleuten, die aus einem Land kamen, das nicht in die Auseinandersetzung verwickelt war.
    Für Boten wurde es allerdings immer schwieriger, von Augsburg nach Rom durchzukommen, wenngleich Richard vermutete, daß das Unternehmen Fugger wohl das einzige nichtkirchliche Nachrichtensystem unterhielt, welches überhaupt noch arbeitete.
    Er war auf dem Weg zur florentinischen Botschaft, als er schon von weitem merkte, daß etwas nicht stimmte. Es war zu ruhig, viel zu ruhig, und die Angehörigen der kleinen Florentiner Kolonie in Rom, soweit sie sich überhaupt auf den Straßen zeigten, liefen mit betretenen Gesichtern herum. Schließlich hielt er einen Mann auf der Straße an und fragte, was geschehen sei.
    »Die Medici sind aus Florenz vertrieben und verbannt worden«, sagte dieser kurzangebunden und ging weiter.
    Richard glaubte zunächst, nicht richtig gehört zu haben, dann beschleunigte er seine Schritte und rannte zu dem Palazzo, der als florentinische Botschaft diente. Der Innenhof war wie immer angefüllt mit Menschen, doch die Menge war von derselben Stille gelähmt, die auch in den Straßen herrschte. Inmitten der Menge machte Richard ungläubig Piero de'Medici aus, der sich offenbar mit dem Botschafter in einen Streit eingelassen hatte.
    »Und ich sage Euch«, stieß Piero, für seine Verhältnisse maßvoll, hervor, »selbstverständlich habe ich das Recht, diesen Palazzo in Anspruch zu nehmen. Was die Signoria getan hat, ist nur unter dem Einfluß dieses Mönchs geschehen, und sobald ich …«
    Sein jüngerer Bruder, der neben ihm stand, legte ihm die Hand auf den Arm. »Geduld, Piero, bleib ruhig. Messer Roberto«, wandte sich Giovanni de'Medici ernst an den Botschafter, »glaubt nicht, daß ich blind für Eure Schwierigkeiten bin. Die Signoria hat uns aus Florenz verbannt, das ist richtig, aber Ihr werdet keinem Bürger von Florenz schaden, wenn Ihr uns gestattet, hierzubleiben, bis wir ein geeignetes Quartier gefunden haben. Wir wären ja zu unseren Vettern Orsini gegangen, aber es scheint, daß sie im Augenblick …«
    Er ließ das Ende seines Satzes in der Luft verklingen, und Richard, eingedenk der Bemerkung Fabio Orsinis, wie peinlich es sei, mit Krämern wie den Medici verwandt zu sein, fragte sich flüchtig, wie die Orsini diese Neuigkeiten wohl aufgenommen hatten. Es schien, daß Giovanni den Botschafter inzwischen überzeugt hatte, denn nach einer leisen Bemerkung Messer Robertos löste sich das kleine Grüppchen auf. Richard drängte sich durch den Hof, um Giovanni zu erreichen.
    »Eminenz«, rief er, »Eminenz, wartet einen Augenblick!«
    Der junge Kardinal zögerte; offensichtlich lag ihm nicht viel daran, angesprochen zu werden. Sein Bruder dagegen sah in Richard genau das richtige Ziel, um einen Teil seines aufgestauten Zorns loszuwerden.
    »Was wollt Ihr? Bei Gott, ich hätte nie gedacht, daß ich einmal den Tag erleben werde, an dem das gemeine Volk auf der Straße über mich grinst. Deswegen seid Ihr doch gekommen, nicht wahr? Weidet Euch nur am …«
    »Piero«, unterbrach Giovanni ihn wieder, »bitte! Niemand macht sich über dich lustig. Du hast es doch gesehen, die Menschen hier sind genauso erschrocken wie …«
    »Wie wer? Der undankbare Mob, der unseren Palazzo gestürmt und ausgeraubt hat?«
    »Entschuldigt uns, Riccardo«, sagte Giovanni de'Medici müde zu Richard. »Ich weiß, Ihr seid ein Freund, aber es ist einfach nicht die Zeit für Höflichkeitsbesuche.«
    »Oh, nimm dir die Zeit, Giovanni«, warf sein Bruder erbittert ein. »Nimm dir die Zeit.

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