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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vorher unterhaltsamen Gesprächsstoff abgegeben hatten, begann sich nun Furcht breitzumachen, als bekannt wurde, daß der französische König sich mit einem Heer auf dem Weg über die Alpen befand; der deutsche König hätte ihn aufhalten oder ihm beistehen können, doch er hatte sich entschieden, nichts von beidem zu tun. Die italienischen Stadtstaaten hatten diese Wahl nicht. Die Römer wurden sich mit einem Mal bewußt, daß auch die ausländischen Söldner, die der Papst neuerdings angeheuert hatte, nicht ausreichten, um ihre Stadt vor einer wirklichen Armee zu schützen, und es beruhigte sie immer weniger, daß es noch nicht sicher war, ob Charles überhaupt nach Rom marschieren würde. Sein eigentliches Ziel war wohl Neapel. Und Neapel hatte ein eigenes Heer. Aber, und das wußten die Menschen, ein Papst, der sich selbst den Namen ›Alexander‹ gegeben hatte, würde schon um seiner eigenen Glaubwürdigkeit willen keinem fremden Herrscher gestatten können, quer durch den Kirchenstaat zu ziehen.
    Richard bemerkte, wie die Nahrungsmittel in Rom immer teurer wurden. Auch die Bevölkerung schien von Tag zu Tag zuzunehmen, da sich die Bewohner der umliegenden Dörfer und Gemeinden innerhalb der Mauern der Ewigen Stadt sicherer fühlten. Und es wunderte ihn auch nicht mehr, daß sie Flugblätter mit Aussprüchen Savonarolas mitbrachten, die schnell die Runde machten.
    »Die Geißel Gottes wird auf uns niederfahren, unserer Sünden wegen«, sagte ein Buchhändler, den Richard besuchte, düster. »Ihr werdet schon sehen. Es ist, wie es hier steht – die Kirche hat den Gipfel ihrer Verderbtheit erreicht, und nun kommt die Strafe.«
    Es fiel schwer, sich von der allgemeinen Stimmung nicht anstecken zu lassen, aber Richard konnte und wollte in einem ehrgeizigen König nicht das Werkzeug Gottes sehen. Schließlich wäre Charles nur zu glücklich gewesen, den päpstlichen Schiedsspruch zu akzeptieren, wenn der Papst, den er jetzt als Antichristen bezeichnete, ihn statt Alfonso zum Erben von Neapel gemacht hätte. Doch er spürte, wie auch die Menschen in Rom sich von Alexander, der sich außerhalb der Adelskreise bisher eigentlich einer großen Beliebtheit erfreute, abzuwenden begann. Die Gerüchte um ihn und seine Familie wurden immer bösartiger.
    »Habt Ihr schon vom Grafen Pesaro gehört?« fragte ein Goldschmied, der in den Handelshof kam, Richard geheimnisvoll.
    »Nur, daß er Rom verlassen hat, aber das war zu erwarten«, erwiderte Richard, »jetzt, da die Sforza sich offen gegen den Papst gestellt haben.«
    »Rom verlassen? Pah, er ist geflohen«, sagte der Goldschmied und senkte die Stimme. »Und wißt Ihr, weswegen? Er hatte Angst, sein Schwager, der Kardinal von Valencia, könnte ihn umbringen.«
    »Und warum?« Nicht, daß ihm die Vorstellung von Cesare Borgia als potentieller Mörder von Giovanni Sforza unwahrscheinlich erschien; aber der Graf Pesaro verfügte über keine nennenswerte eigene Macht, die ihn zu einem gefährlichen Feind gemacht hätte. Sein einziger Vorzug in den Augen der Borgia bestand darin, daß er ein Sforza war.
    »Wer weiß. Wer weiß«, sagte der Goldschmied, dem offensichtlich auch kein guter Grund einfiel, etwas lahm.
    Was die Römer bald wußten und was die Kriegsvorbereitungen kurzfristig fast völlig aus dem öffentlichen Bewußtsein vertrieb, war, daß sich die Angelegenheit um Giovanni Sforza, Graf von Pesaro, zum größten Skandal der letzten zwanzig Jahre entwickelte.
    »Ihr macht Euch keine Vorstellung davon, wie entsetzt ich war, als mich der Heilige Vater der Kommission zuteilte, welche die Aufgabe hatte, die Ehe seiner Tochter für nicht vollzogen zu erklären und aufzulösen«, erzählte Kardinal Piccolomini, dessen Leidenschaft für antike Statuen ihn zu Richards bestem Kunden in Rom gemacht hatte, einer wohlig erschauernden Tischrunde. Richard stellte fest, daß jeder der Anwesenden, obwohl keiner sonderlich mit Giovanni Sforza sympathisierte, nichts lieber hörte als Skandalgeschichten über den Papst und seine Familie.
    »Eine unerfreuliche Angelegenheit, und sie mußte ja leider in aller Öffentlichkeit verhandelt werden«, fuhr Kardinal Piccolomini fort, »aber keiner von uns hatte mit dem Protest des Grafen Pesaro gerechnet. Er ließ eine Erklärung vorlesen, in der es hieß, für seine Manneskraft zeugten all seine Bastarde aus Mailand und Pesaro, und«, der Kardinal legte eine dramatische Pause ein, »der Heilige Vater und der Kardinal von Valencia seien nur

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