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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Üppigkeit und Verschwendung gestattete er sich nur auf zwei Gebieten: bei der Ausstattung für seine Frau Sybille und in der goldenen Schreibstube im Nordflügel des Gebäudes, die nach seinen persönlichen Entwürfen hergerichtet worden war.
    Hier standen die hölzernen Karteischränke, die nicht nur die Geheimnisse des Unternehmens bargen, sondern auch kunstvoll bemalt und mit Intarsien aus Florenz verziert waren. Hier, in dem dämmrigen Licht, das er schätzte, glänzten die vergoldeten Leisten und das goldüberzogene Schnitzwerk der ahorngetäfelten Wände und der Decke. Der Tisch, hinter dem Jakob saß, bestand aus einer feingeschnittenen Marmorplatte, die von vier schwarzen Löwen getragen wurde. Hier herrschte er, und hier empfing er die wichtigsten seiner Besucher.
    Richard sah den Mann an, der sehr viel schlichter wirkte als der Raum, in dem er sich befand, und lächelte unwillkürlich. Mußte sich nicht jeder Besucher eingeschüchtert fühlen und irritiert von dem Widerspruch zwischen Jakobs sonstigem Verhalten und der Pracht dieses Raumes?
    Die Bernsteinaugen beobachteten ihn. »Spielst du Schach, Richard?« fragte Jakob unvermittelt. Richard verneinte und dachte an das geheimnisvolle schwarzweiße Brett, vor dem er oft gestanden hatte, hilflos und deswegen verärgert. Jakob musterte ihn. Wenn er enttäuscht war, so ließ sich das so wenig wie alles andere an Jakob erkennen.
    »Ansonsten weißt du erstaunlich viel für einen Jungen in deinem Alter, und man berichtet mir, daß du auch sehr viel fragst. Ich könnte mir vorstellen, daß du deinen Unterricht wieder aufnehmen willst. Das Kloster St. Veit zu Herrieden wäre bereit, dich zu nehmen, zusammen mit Ulrichs Ältestem.«
    Später erfuhr Richard, daß Jakob selbst in diesem Kloster aufgewachsen war. Jetzt fühlte er nur Entsetzen. Er wußte, daß es töricht war, er wußte, daß die Klöster das Wissen bargen, nach dem er sich sehnte, doch schon bei dem Gedanken allein wurde er innerlich zu Eis.
    Er zerbrach sich den Kopf, was er nur zu Jakob sagen sollte, Jakob, der ihn jederzeit fortschicken konnte. Doch Jakob war ein geübter Beobachter, und Richard längst nicht so sehr geübt, wie er glaubte, seine Gedanken zu verbergen. Er musterte den Jungen unverwandt.
    »Ich verstehe«, sagte er in einem neutralen Ton. Damit wurde Richard entlassen und erfuhr erst eine Woche später, daß Jakob sich entschieden hatte, ihn und Hänsle von einem Hauslehrer erziehen zu lassen.
    Der Augsburger Gelehrte, Konrad Pantinger, empfahl einen seiner Scholaren, wie alle Studenten arm und dankbar für jede Verdienstmöglichkeit. Anselm Justinger besaß nicht nur großes Wissen, sondern, wie sich herausstellen sollte, auch eine respektlose Zunge, und er war mehr als erfreut, in Richard einen wissenshungrigen Schüler mit einem fast unheimlichen Gedächtnis zu bekommen. Er gab Richards Drängen nach und lieh ihm sogar einige der Abschriften, die er sich während seines Studiums von den wichtigsten Stellen seiner Bücher gemacht hatte. Nachdem sie sich näher kennengelernt hatten, unterhielt er ihn in Hänsles Abwesenheit auch einmal mit leicht boshaften Berichten von Jakobs Aufstieg zum Erfolg.
    »Damals wußte natürlich keiner, was dieser Fugger so trieb, aber wer heute Augen und Ohren offen hat, weiß Bescheid. Nachdem sie den jungen Jakob aus dem Kloster geholt hatten, ging er zunächst ein Jahr nach Italien und lernte dort, wie sich die Welschen untereinander betrügen. Es heißt, er brachte von dort sogar ein neues System der Buchhaltung mit, obwohl ich darüber nichts sagen kann.«
    Richard grinste. »Aber ich. Ich habe Ludwig Schweriz gefragt.« Ludwig Schweriz war Jakobs Hauptbuchhalter, noch jung und im Rahmen seiner Pflicht zugänglich, und da das italienische System kein eigentliches Geschäftsgeheimnis mehr war, hatte er es Richard zu erläutern versucht.
    »Schweriz nennt es ›doppelte Buchführung‹, das heißt man führt jeden Geschäftsvorgang zweimal auf, in verschiedenen Spalten, einmal als Warenausgang, zum anderen als Geldeingang oder umgekehrt, so daß die Endsummen in jeder Spalte übereinstimmen.«
    Anselm zuckte die Achseln. »Magister Pantinger sagt, daß der alte Ulrich zuerst entsetzt davon war, aber Jakob setzte sich mit seinem neuen System durch. Dann klapperte er in den nächsten zwei Jahren sämtliche Geschäftsstellen der Fugger im gesamten Reich ab, und als er wiederkam, stürzte er sich ins Erzgeschäft.«
    Richard lehnte sich neugierig

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