Die Puppenspieler
hätten sie beide schon wieder im Haus am Rindermarkt sein müssen. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Hänsle warf einen Blick zum Himmel und runzelte die Stirn.
»Wir müssen bald umkehren, wenn wir nicht zu spät zum Essen kommen wollen. Schade, ich wollte dir unbedingt noch die Schenke ›Zum grünen Faß‹ zeigen.« Er näherte seinen Mund Richards Ohr und flüsterte: »Es heißt, daß dort zur Zeit eine echte Hexe ihre Zauberkunststücke vorführt. Überleg dir das mal!«
Richards Reaktion war vollkommen unerwartet. Er stieß Hänsle mit einem Ruck von sich, daß der Jüngere beinahe hingefallen wäre, und brachte mit verzerrtem Gesicht hervor: »Du bist wirklich der leichtgläubigste Dummkopf, den ich kenne! Es gibt keine Hexen!«
Hänsle war eher gekränkt als verärgert. Er schniefte. »Natürlich gibt es die. Du …«
Doch Richard hatte sich schon wieder gefangen. Er bot Hänsle seine Hand. »Es tut mir leid. Du hast selbstverständlich recht.«
Hänsle zog eine Grimasse. »So hört sich Onkel Jakob an, wenn er gerade dabei ist, bei meinem Vater seine Meinung durchzusetzen. Siehst du jetzt, was ich meine? Glaub nur nicht, daß ich darauf hereinfalle.«
Doch er sagte es ohne Bösartigkeit, und nach einer Weile gingen sie wieder versöhnt nebeneinander her. Hänsle pfiff ein wenig vor sich hin, bis ihn Richard fragte: »Sag mal, weil du schon von Jakob redest – wie ist er eigentlich an das Tiroler Silber gekommen? Oder ist das geheim?«
Hänsle grinste. »Mitnichten. Aber du vergißt, ich bin ein Fugger. Wie wäre es mit einem Geschäft? Ich erzähle dir von dem Tiroler Silber, du erzählst mir, was du gegen Hexen hast.«
In der Dämmerung konnte er Richards Gesicht nicht mehr genau erkennen, doch er wunderte sich, als dieser ohne zu zögern antwortete: »In Ordnung. Das ist nur gerecht. Quid pro quo.«
Hänsle stolperte aus Überraschung über seinen raschen Sieg, und Richard mußte ihn auffangen. Richard war nicht größer als er, doch daß Sybilles Neffe älter war, spürte man an der Bewegung, mit der er Hänsle rasch und mühelos festhielt. Wie hatte er das Stolpern so schnell wahrnehmen können?
»Also«, begann Hänsle und verlor bald jede Unsicherheit, denn diese Geschichte war vertrautes Gebiet, »alles weiß ich auch nicht, ich meine, wieviel und welche Mittelsmänner, aber ich weiß das meiste. Jeder weiß das, es wurde ja dann rasch genug bekannt. Jakob hatte damals die Idee, Sigismund von Tirol Geld zu leihen, obwohl der seine Silbergruben längst an seine eigenen Untertanen verpachtet hatte und also nicht mehr über sie verfügen konnte. Jeder erklärte ihn für verrückt, Onkel Jakob, meine ich, nicht Sigismund. Übrigens war Sigismund vorsichtig genug, um nicht ausschließlich Fuggergeld zu leihen, er suchte auch andere Geldgeber, um unabhängig zu bleiben.«
»Und dabei stieß er auf ein paar freigebige Leute, die in Wirklichkeit ebenfalls für Jakob arbeiteten«, vervollständigte Richard. Hänsle starrte ihn an.
»Woher weißt du das?«
»Man nennt es Logik. Vergiß es. Und beeile dich, wir sind spät dran.«
»Nun, Sigismund hatte bei all seinen Höflingen und Beamten Schulden, auch bei den Soldaten, die jetzt auf einmal bezahlt werden konnten. Aber nicht von Sigismund. Jakob machte etwas völlig Neues, er zahlte nämlich direkt an Sigismunds Gläubiger statt an den Herzog, der das Geld doch nur für etwas anderes ausgegeben hätte. Auf einmal kam der Sold regelmäßig, die Beamten wurden bezahlt, und bald lief in Tirol nichts mehr ohne Fuggergeld. Dann verlangte Jakob Bürgschaften für sein Geld, aber nicht von Sigismund, sondern …«
»… von den Grubenbesitzern.«
Hänsle stieß Richard mit dem Ellenbogen zwischen die Rippen. »Wenn du schon alles weißt, warum fragst du dann? Ja, es waren die Grubenbesitzer, die für ihren Herzog bürgten, weil doch alles so wunderbar lief. Und als unser Onkel auch noch den Erztransport und die Münzerei auf der Pfänderliste hatte, ließ er den guten Herzog von seinen eigenen Landständen absetzen.«
Befriedigt registrierte Hänsle, daß Richard damit nicht gerechnet hatte. »Er tat was? Aber wie hat er das gemacht?«
»Sehr einfach – er ließ den Landständen die Wahl. Entweder ihr alter Herzog und kein Geld mehr, oder ein neuer Herzog, Maximilian von Habsburg, der Sohn des Kaisers. Keine Frage, wen sie wählten. Und keine Frage, daß ihr Silber jetzt dem Unternehmen gehört, durch ihre eigenen Bürgschaften und den
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