Die Puppenspieler
Verlobungstag ihrer Tochter, während des königlichen Besuches, es darauf anlegte, einen Streit vom Zaun zu brechen …
»Was hat Tante Sybille geantwortet?« fragte Ursula unvermittelt.
Genußvoll berichtete Johannes weiter: »Sie sagte, erstens träfe Onkel Jakob seine geschäftlichen Entscheidungen ohne sie, zweitens hätte Onkel Ulrich in die Verlobung eingewilligt, und drittens würde nach dem Gesellschaftervertrag ohnehin keiner der Kinder von Onkel Ulrich, Onkel Jakob und Papa etwas von dem Unternehmensvermögen erben oder entscheidungsberechtigt sein. Tante Veronikas Vorwurf wäre also vollkommen unsinnig. Daraufhin wurde Tante Veronika erst recht wütend, sagte, daß dieser Vertrag eine infame Intrige von Onkel Jakob gewesen wäre, nachdem er aus Italien zurückgekommen war, und fing an, über Onkel Jakob herzuziehen. Und dann kam Onkel Jakob herein. Tante Veronikas Geschrei muß man durch mehrere Stockwerke gehört haben, vielleicht hat es ihm auch jemand gesagt, inzwischen war ja fast die ganze Familie in Annas Kammer versammelt. Anna stand da und weinte und sagte, man solle sie endlich in Ruhe lassen, Tante Veronika schrie, und Tante Sybille war auch ziemlich aufgeregt.«
Hänsle stieß die angehaltene Luft aus. Er hatte noch nicht erlebt, daß jemand seine Mutter zum Schweigen hätte bringen können, wenn sie erst richtig in Fahrt war. Andererseits hatte er auch noch nie erlebt, daß sie offen mit Jakob gestritten hätte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß jemand Jakob lautstark widersprach … besonders in der Öffentlichkeit.
»Was hat er gemacht?« fragte er, nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.
»Er scheuchte alle Familienmitglieder aus dem Zimmer, bat Tante Sybille, sich um Anna zu kümmern, und nahm Tante Veronika mit sich in ihre Kammer. Ich weiß nicht, was dann passiert ist.«
Richard schaute auf die Tribüne. Dort saßen Georg und seine Frau Regina, der Bürgermeister Anton Welser mit seiner Familie, denen unter all den Fuggern sichtlich unbehaglich zumute war, Ulrich, der versuchte, mit Welser ein Gespräch zu führen, eine eisig-schweigende und wie erstarrt dasitzende Veronika, der junge Thurzo, der wahrscheinlich nichts von all dem mitbekommen hatte, und Veronikas Kinder, außer Anna. Es fehlten nur noch Jakob und Sybille.
Ursula schien seine Gedanken erraten zu haben. Sie tippte ihm auf die Schulter und sagte leise: »Da kommen sie!« Wenn Jakob oder Sybille noch aufgeregt waren, so konnte man es ihnen nicht anmerken. Sybille begrüßte den Bürgermeister und seine Familie freundlich und setzte sich neben Regina Fugger. Sie vermied es, Veronika anzusehen.
Sybille glaubte nicht, daß die Auseinandersetzung über das Kleid dem Impuls eines Augenblicks entsprungen war. Veronika hatte es geplant, um endlich einen großen Streit mit Sybille anzufangen und ihr ein paar Dinge ins Gesicht werfen zu können, und es war ihr offensichtlich gleichgültig, ob ihre Tochter darunter litt!
Anna mochte sich vor dieser Ehe gefürchtet haben oder auch nicht, bis jetzt war es ihr gelungen, zumindest tapfer die Fassade aufrechtzuerhalten, und sie hatte keinen Widerwillen gegen Georg Thurzo oder die Verlobung mit ihm gezeigt, bis ihre eigennützige Mutter heute morgen begonnen hatte, die ganze Familie aufzubringen.
Sybille zwang sich zu einem Lächeln. Es war ihr gelungen, Anna einigermaßen zu beruhigen, und sie hoffte, daß die Stunden, die das Mädchen während des Turniers für sich hatte, ein übriges tun würden. Anna war so aufgelöst gewesen, daß sie beschlossen hatte, das Mädchen zu Hause zu lassen und lieber Gerede über ihre Abwesenheit in Kauf zu nehmen.
Die Fanfaren kündeten den Beginn des Turniers an; Sybille versuchte, ihre Aufmerksamkeit ganz Maximilians Lieblings-Zeitvertreib zu widmen. Bei den ersten Kämpfen beteiligte sich der König noch nicht persönlich. Traditionellerweise kämpften die Partei des Königs und die der Königin – auch wenn sie nicht anwesend war – gegeneinander; beide Parteien stammten natürlich aus Maximilians Gefolgschaft, so daß er in keinem Fall sein Gesicht verlor.
Remar von Remar, der Partei des Königs angehörend, erwies sich zunächst als ziemlich erfolgreich, dann aber als schlechter Verlierer; denn als er im letzten Gang der Vorrunde von Hans Peter Graf zu Moosach vom Pferd geworfen wurde, bekam er an Ort und Stelle einen Wutanfall, bezichtigte den Moosacher des Regelbruchs und mußte schließlich gezwungen werden, das Feld zu
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