Die Puppenspieler
in den Gesindetrakt des Gebäudes.
»Was ist geschehen?«
»Ich muß mit Euch sprechen«, sagte sie. »Es geht um die Käthe.« Richard erinnerte sich. Käthe war eines der neueren Mädchen, ein hübsches flachshaariges Ding etwa in seinem Alter, vielleicht ein wenig jünger.
»Der Herr, der mit in Eurer Kammer wohnt, der Graf …«
Richard spürte einen schalen Geschmack im Mund. Das war es also gewesen, was Remar unter einem ›Hexchen‹ verstanden hatte! Er schalt sich einen Narren. Ekel stieg in ihm auf. Remar hätte bei seinem Aussehen und seiner Stellung leicht eine der zahlreichen Frauen, die es hier gab, in sein Bett bekommen können, aber nein, es mußte dieses halbe Kind sein.
»Ich verstehe«, sagte er düster.
Barbara ergriff wieder seinen Arm. »Er hat es nicht ernst genommen, daß sie sich gewehrt hat, die Herren nehmen das nie ernst. Und jetzt hat sie Angst, daß er sie wieder zu sich bestellt …« Sie brach ab, löste sich von ihm und rieb sich unsicher die Hände. »Ich dachte, weil … ich dachte, Ihr könntet …«
»Schon gut«, sagte Richard beruhigend und überlegte. Zwei Jahre in enger Nachbarschaft mit Jakob Fugger hatten ihm einen anderen Blick auf die Welt eröffnet. Wenn er jetzt zu Remar ging und ihn der Notzucht beschuldigte, würde der Graf nur lachen, ebenso, wenn er, Richard, die Angelegenheit mit Käthe als Bitte vortrug. Wenn er ihm auch nur eine Ohrfeige gab, was er im Augenblick liebend gern getan hätte, oder ihm seine Meinung über die Vergewaltigung kleiner Mädchen sagte, hätte er einen adeligen Gast beleidigt. Aber er konnte auch nicht darauf vertrauen, daß Remar Käthe schon satt hatte, und selbst wenn es so war – es gab noch andere kindliche Mädchen beim Gesinde.
Barbara starrte ihn mit ihren großen, braunen Augen an. Er schluckte. »Keine Sorge«, sagte er schnell. »Mir ist eben etwas eingefallen.«
Es dauerte etwas, bis er die Schreiber Norbert und Heinz fand, die sich, wie nicht anders zu erwarten, an einem Krug Wein gütlich taten.
»Wen haben wir denn da?« fragte Heinz und grinste. »Den großen Mann mit dem kleinen Magen?«
Richard fühlte, wie seine Haut brannte. Er wünschte sich Jakobs unerschütterliche Maske und versuchte, möglichst gelassen zu sagen: »Hat einer von euch Burschen Lust, einem Grafen die weiblichen Sehenswürdigkeiten Augsburgs zu zeigen?«
»Hä?«
»Wie?«
»Der Mann ist ungeheuer reich und großzügig, und er brennt darauf, unsere hiesigen Bordelle kennenzulernen. Er braucht nur jemanden, der ihn durch die Stadt führt und dafür sorgt, daß er gebührend empfangen wird.«
»Hört sich nicht schlecht an«, murmelte Norbert und griff nach dem Krug, der bereits fast leer war. »Aber warum tust du es nicht selber? Wo ist der Haken?«
Weil ich nicht weiß, wie man ein Bordell besucht, dachte Richard. Aber er wäre eher gestorben, als das ausgerechnet diesen beiden zu erzählen. Sicher, ihm war durch Getuschel und anzügliche Bemerkungen klar, wo die verrufenen Häuser sich in etwa befanden, aber erstens kannte er sich nicht aus, und an seinem Plan mußte alles klappen, und zweitens würde er sich bestimmt nicht noch einmal lächerlich machen, und gewiß nicht vor diesem Remar!
»Meine Tante hat mich überhäuft mit Pflichten. Ich komme wahrscheinlich erst morgen zur Messe einen Schritt aus dem Haus! Also, was ist mit euch? Der Mann wird euch mit Gold überschütten, und außerdem könnte es sein, daß er euch bei Hof empfiehlt, wenn ihr Augsburg einmal verlassen wollt. Aber macht etwas schneller mit der Entscheidung, ich habe es eilig!«
»In Ordnung«, entgegnete Norbert und rülpste. »Wir machen es. Wo steckt der Knabe, und wie heißt er?«
»Ulrich von Remar, und im Augenblick erholt er sich wahrscheinlich in meiner Kammer von dem Turnier. Ich werde ihm sagen, daß ihr seine Führer sein werdet. Ach, übrigens – sorgt dafür, daß die Frauen nicht zu alt sind.«
Remar zu überreden, er müsse unbedingt einen Streifzug durch Augsburg unternehmen, war leichter, als er erwartet hatte. Der gekränkte Graf befand sich tatsächlich noch in seiner Kammer und pflegte die Wunde, die die Niederlage bei dem Turnier seiner Eitelkeit zugefügt hatte.
Doch auch ein Ulrich von Remar wurde es einmal müde, Hans Peter Graf zu Moosach mit sämtlichen Schimpfnamen zu belegen, die ihm einfielen, und er stimmte schließlich zu. Richard war so vorsichtig, nicht direkt das Ziel des vorgeschlagenen Ausflugs zu nennen – wer konnte
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