Die Puppenspieler
wissen, ob Remar nicht auch dies als Kränkung empfinden würde –, doch er machte allerlei Andeutungen, und der Graf verabschiedete sich, von Norbert und Heinz in Empfang genommen, mit einem Augenzwinkern und der gönnerhaften Bemerkung: »Ihr verkommt hier bei diesen Pfeffersäcken, Junge. Wenn Ihr besserer Abstammung wäret, würde ich sagen, Ihr seid ein wahrer Freund.«
Es war nun fast schon Zeit für das große abendliche Fest, auf dem Annas Verlobung verkündet werden sollte, und sowie Richard sicher war, daß Remar das Haus verlassen und wahrscheinlich nicht die Absicht hatte, bald wiederzukommen, sank er erleichtert auf einen Stuhl. Es stand zu hoffen, daß Remar Geschmack an dem Ausflug finden und sich nicht wieder an Dienstmädchen vergreifen würde. Nicht sehr moralisch und auch kaum ritterlich, was ich getan habe, dachte Richard zynisch. Aber mit Bemerkungen wie ›Schurke, du wagst es‹, konnte man in diesem Fall nichts erreichen, besonders nicht als bürgerlicher Vierzehnjähriger – auch wenn König Max vielleicht anderer Meinung war. Zum Teufel mit Ulrich von Remar!
Erst an diesem zweiten Abend fiel Sybille auf, daß Richard nicht am Tanz teilnahm. Mit einem Anflug von Beschämung erkannte sie, daß niemand daran gedacht hatte, ihm das Tanzen beizubringen, ganz einfach, weil die Söhne und Töchter des reichen Bürgertums dies schon als Kinder lernten.
Richard schien sich jedoch nicht zu langweilen, er sprach gerade mit Georg Thurzo. Sybille war erleichtert. Bald sollte als Höhepunkt des Abends Annas Verlobung verkündet werden, doch bis dahin wußte niemand so recht, was man mit dem jungen Ungarn anfangen sollte. Er sprach nicht viel, und das wenige mit schwer verständlichem Akzent. Richard war es offenbar gelungen, ihn etwas auftauen zu lassen.
Sybille wäre wesentlich weniger erleichtert gewesen, hätte sie gewußt, daß Richards Fragen über Ungarn Georg Thurzo nur die Zunge gelöst hatten, um eine lang aufgestaute Erbitterung loszuwerden. »Ich habe es so satt«, sagte er gerade wütend, »daß mich jeder so behandelt, als sei es eine … ein Wunder, daß ich überhaupt eure Sprache sprechen kann, und als sei ich obendrein noch taub. Meint Ihr, ich hätte nichts von dem Gezeter heute morgen gemerkt? Eure Schwester will mich nicht heiraten …«
»Meine Base«, korrigierte Richard, »und sie will Euch sehr wohl heiraten. In dem Streit heute morgen ging es nur um ein albernes Kleid. Ihre Mutter …«
»Ihre Mutter! Ha! Da hast du es«, sagte der junge Thurzo düster, »diese Frau als Schwiegermutter ist ein Grund, sich zu betrinken, Bruder. Eins kann ich dir sagen, ihr glaubt vielleicht alle, die Verlobung sei eine Ehre für mich, aber ich bin ein Thurzo! Ein Thurzo heiratet sonst nur eine Ungarin! Und dann noch der verdammte Maximilian, der erst unsere Truppen in Wien gemeuchelt und dann unseren König zu einem Schandvertrag gezwungen hat …«
Richard verbiß sich die Bemerkung, daß das ungarische Heer sich in Wien auch nicht gerade vorbildlich verhalten hatte.
»Er will Ungarn zum Teil seines Reiches machen, der Habsburger«, fuhr Thurzo erbittert fort, »es fängt schon an. Keinem hier kommt in den Sinn, daß mein Name nicht Georg ist. Ihr laßt uns noch nicht einmal unsere eigenen Namen!«
»Wie heißt Ihr also?« fragte Richard sachlich. Der Ungar seufzte, trank und strich sich über den Schnurrbart.
»György. Thurzo György, so würden wir in Ungarn sagen. Und der Name meines Vaters«, sagte er herausfordernd, »ist Thurzo Janos, nicht Johann Thurzo! Aber er hat sich schon längst angewöhnt, im Umgang mit euch deutsch zu reden und deutsche Namen zu gebrauchen.«
»Sagt mir noch mehr ungarische Namen, sie klingen so … anders, Thurzo György«, sagte Richard zu Thurzos Überraschung und mühte sich redlich ab, den Namen korrekt auszusprechen. Doch der nasale Zischlaut am Ende des ›György‹ war zuviel für ihn. Er versuchte es noch einige Male, und der junge Ungar brach in Gelächter aus.
»Ah, die Deutschen«, rief er und wiederholte ganz langsam: »György.«
Richard schoß der Gedanke durch den Kopf, wie seltsam es doch war, daß Thurzo von ›den Deutschen‹ sprach. Es gab Schwaben, Franken, Tiroler, Bajuwaren, Sachsen und was dergleichen mehr, aber ›Deutsche‹ als Volk? Niemand dachte so oder gebrauchte das Wort auf diese Art. Doch davon sagte er nichts, sondern bat Thurzo, ihm noch ein paar ungarische Ausdrücke beizubringen. Unter Gelächter verflog die
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