Die Puppenspieler
weiß was zu tun.«
Richards Stimme wurde schroff. »Und?« Barbara ließ sich wieder auf das weiche Laken sinken.
»Ich glaube nicht an Euer Gelübde, junger Herr.« Plötzlich kam ihr eine Idee, die sie erschütterte. »Magst du etwa lieber Jungen?«
»Wie bitte?« fragte Richard so verdutzt, blanke Unwissenheit in den Augen, daß sie ihren Verdacht fallenließ.
»Schon gut«, murmelte sie und musterte ihn. Er machte noch immer keine Anstalten, sich ihr zu nähern. Barbara war nicht dumm. Aus welchem Grund auch immer, ihre Absicht auf eine nächtliche Zerstreuung war vereitelt worden. Zumindest heute nacht würde daraus nichts werden. Sie fühlte sich enttäuscht, verärgert und herausgefordert.
»Schön«, sagte sie unvermittelt, stand auf und ging zu ihren Kleidungsstücken, die sie auf einen Schemel gelegt hatte. Betont langsam zog sie sich an. Sie spürte, daß Richards Augen ihr folgten, und hütete sich, sich irgend etwas anmerken zu lassen. Wir werden sehen, dachte Barbara, als sie schließlich angekleidet war. Unter gesenkten Lidern verbarg sie einen triumphierenden Blick. Aus Stein war er offensichtlich nicht. Sie unterdrückte ein Lächeln. Wie er wohl das nächste Mal reagieren würde?
»Ihr seht so ernst aus, Doctorus«, sagte Sybille und rückte den Schemel, auf dem sie saß, noch etwas näher an das Kaminfeuer. »Was bedrückt Euch?« Konrad Pantinger seufzte. Er hatte keinen Grund, sich zu beklagen. Dies war sein erster Besuch seit seiner Rückkehr von einem einjährigen Italienaufenthalt, und Sybille hatte ihn wie ein Familienmitglied willkommen geheißen.
Er blickte auf die übrigen Menschen, die sich in diesem Raum befanden, auf Ulrich und Veronika, die leise miteinander sprachen, auf ihre Kinder, die sich um Anna geschart hatten, die Älteste, die im nächsten Sommer heiraten würde, auf Jakob und Richard, die in eine Schachpartie vertieft waren.
Schließlich antwortete er: »Es ist dieses Buch, Frau Sybille, dieses Buch über das Hexenwesen. Im August ist es in Köln erschienen, jetzt haben wir Anfang Januar, und ich muß feststellen, daß es auch schon in Augsburg gedruckt wird. Habt Ihr es gelesen?«
Sybille schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß, was Ihr meint.«
Die beiden Dominikaner Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, die in der Bulle des Papstes ausdrücklich mit der Untersuchung des Hexenwesens in deutschen Landen beauftragt worden waren, hatten nun ihre Überlegungen in dem Werk ›Malleus Maleficarum‹ veröffentlicht. Bald sprach man von nichts anderem mehr.
»Mich beunruhigt die Verbreitung, die das Buch findet, denn ich kann die Thesen nicht billigen«, sagte Pantinger.
»Nicht, daß ich bezweifeln möchte, daß es Hexen gibt«, er bekreuzigte sich, »aber bis jetzt war es mehr oder weniger üblich, sie durch ein Anklageverfahren zu prüfen, nicht durch einen Inquisitionsprozeß, wie es Sprenger fordert. Die Verteidigung der Angeklagten durch einen Anwalt ist so gut wie unmöglich gemacht, wenn er sich durchsetzt, und er hat die Autorität der Kirche hinter sich. Und wenn ich lese, wie diese beiden Dominikaner das Kirchenrecht für ihre Zwecke verdrehen, wird mir übel. Nach kanonischem Gesetz ist es nämlich verboten, die Folter, wenn sie einmal angewendet wurde, zu wiederholen. Im ›Malleus Maleficarum‹ heißt es, der Richter könne eine ›Fortsetzung‹ der Folter zu verschiedenen Terminen anordnen. Eine Fortsetzung! Wißt Ihr, was das heißt? Welcher Mensch würde nicht alles gestehen, wenn man ihn nur oft genug foltert?«
Sybille starrte in die Flammen. »Das ist furchtbar«, sagte sie fast unhörbar. »Glaubt Ihr, daß … daß viele Unschuldige angezeigt werden?«
»Frau Sybille«, erwiderte Pantinger ernst, »nach dem ›Malleus Maleficarum‹ ist jede Frau verdächtig, ganz einfach, weil sie Frau ist. Dort steht, die Frauen seien von Natur aus schlecht, in der Wollust unersättlich und deswegen nur allzugern bereit, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Wenn das erst überall gelehrt wird … Was meint Ihr, wie schnell dann die Anzeigen kommen werden?«
Sybille widerstand dem Impuls, sich ebenfalls zu bekreuzigen. »Werden in diesem Buch auch die Einzelheiten des … des Verfahrens geschildert?«
Pantinger nickte. »So ist es und auf ekelerregende Weise. Deswegen glaube ich …«
Ein Schatten fiel über sie. »In welchem Buch?« fragte Richard. Die Schachpartie war beendet, und er war sofort aufgestanden, um sich zu seiner Tante und dem Doctorus zu
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