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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zu rennen. Der Hauptbuchhalter Ludwig Schweriz, gedrungen und unauffällig, ließ ihn in die goldene Stube.
    Richard bemerkte sofort, daß keiner der Schreiber mehr anwesend war, auch sonst keine Angestellten, was so gut wie nie vor acht Uhr abends der Fall war. Jakob mußte sie fortgeschickt haben, und das deutete auf ein ungewöhnliches Maß an Geheimhaltung hin, denn in der goldenen Stube arbeiteten nur Leute, die sich bereits als durch und durch vertrauenswürdig erwiesen hatten.
    »Setz dich«, sagte Jakob. Richard ließ sich auf einen der verlassenen Stühle sinken. »Schweriz wird gleich mit drei Schweizern aus Basel wiederkommen. Du hast in den letzten Jahren bewiesen, daß du klug bist und Möglichkeiten zu nutzen verstehst, und ich habe inzwischen festgestellt, daß du auch selbstbeherrscht sein kannst.«
    Richard schwieg. Komplimente von Jakob waren selten und verfolgten meistens einen Zweck. Jakob verschränkte die Hände.
    »Ich habe die Schmuckstücke, über die zu urteilen ich dich gebeten hatte, vorher von Fachleuten untersuchen lassen. Sie waren in allen Fällen derselben Meinung.«
    Jakob lehnte sich vor. Richard bemühte sich, so unbeteiligt wie möglich dreinzuschauen, doch unbewußt preßte er die Knie aneinander. Jetzt mußte etwas Wichtiges, Abenteuerliches kommen, und er spürte, daß seinem Dasein im Hause Fugger ein entscheidender Wendepunkt bevorstand. Sein Mund war trocken, und während er sich der Flut aus Freude und Beunruhigung überließ, die auf ihn einströmte, hoffte er nur, daß es nichts mit Basinger zu tun hatte.
    »Nun«, sagte Jakob, »werden wir sehen, ob man dir auch vertrauen kann. Ich möchte, daß du eine deiner Fähigkeiten für mich erprobst und zu keinem Menschen ein Wort darüber verlierst. Zu keinem.«
    Richard wußte nicht, was er antworten sollte, doch in diesem Moment kehrte Schweriz zurück und kündigte ›die Herren aus der Schweiz‹ an.
    Die drei Männer, die nun eintraten, hatten sich unter den Schweizer Kaufleuten befunden, die kurz nach den Ungarn eingetroffen waren, und so überhaupt nicht Richards Interesse geweckt. Sie begrüßten sich gegenseitig, dann wandte sich der Größte unter ihnen, der offensichtlich der Sprecher war, an Jakob.
    »Ist das Euer Gutachter, Messer Fugger«, fragte er schroff, »ein Junge?«
    Jakob zuckte die Achseln. »Wenn Ihr lieber einen geschwätzigen Augsburger Goldschmied hinzuziehen wollt, kann ich gerne nach einem schicken lassen«, antwortete er.
    »Nein, schon gut, schon gut«, sagte ein Mann mit einem harten, verwitterten Gesicht hastig. »Kommen wir lieber zum Geschäft. Ihr habt die Zeichnungen gesehen und uns zu verstehen gegeben, daß Ihr geneigt seid, Euch mit der Sache näher zu befassen. Was heißt das genau?«
    Jakob verzog den Mund. »Wenn Ihr da nicht eine Vermutung hegtet, Messer Hiltbrandt, hättet Ihr den Schmuck nicht mitgebracht.«
    Der Große, der zuerst gesprochen hatte, lächelte kalt. »Wer sagt Euch, daß wir ihn dabeihaben?«
    »Ich könnte sagen, die zwanzig Bewaffneten, die Ihr erst kurz vor Augsburg weggeschickt habt, Messer Gerster«, erwiderte Jakob kühl. »Aber lassen wir das.«
    Hiltbrandt fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Es ist verflucht heiß hier! Seid Ihr bereit, den Preis zu zahlen, der ausgehandelt wurde?«
    »Obwohl ich die Juwelen noch nicht gesehen habe, kann ich Euch jetzt schon versichern, daß fünfzigtausend Rheinische Gulden zuviel sind.«
    »Aber ihr …«
    Hiltbrandt wurde von Gerster unterbrochen, der heftig sagte: »Es ist nicht zuviel … für den Burgunderschatz.«
    Richard widerstand mit Mühe der Versuchung, durch die Zähne zu pfeifen. Der Burgunderschatz! Der Schatz Karls des Kühnen, den der Burgunderherzog 1476 bei seinem Feldzug gegen die Schweizer verloren hatte! Ganz Europa kannte die Geschichte. Karl hatte an seinem Sieg nie gezweifelt und mußte doch die ungeheuerliche Demütigung erfahren, daß seine Juwelensammlung von einer Bande schlichter Kriegsknechte geraubt wurde. Die Soldaten hatten noch nicht einmal gewußt, was sie da erbeutet hatten, und den Schatz großzügig unter sich aufgeteilt.
    Bis der wutschäumende Karl, der seinen Feldzug verlor, wieder in der Lage war, Forderungen an die Schweiz zu stellen, war es den Eidgenossen jedoch schon längst aufgegangen, was sie in die Hände bekommen hatten, und die Jagd nach den Juwelen begann. Jeder bemühte sich, möglichst viel von dem burgundischen Schatz für sich zu sichern, doch Gerüchte wollten

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