Die Puppenspieler
zählte.
»Antichrist«, sagte er jetzt wütend, »Unsinn. Er hat …«
Anselm griff ein. »Richard, es hat keinen Sinn, wenn du anfängst, über Friedrich von Hohenstaufen zu streiten. Dann werden wir niemals fertig. Im übrigen ist es etwas völlig anderes, einen mächtigen Herrscher zu exkommunizieren, als einen Philosophen, von dem niemand Racheakte zu befürchten hat, sollte er ihn auch wie einen Exkommunizierten behandeln.«
Richards dunkle Augen umwölkten sich. Er strich sich eine braune Haarsträhne aus der Stirn. »Das stimmt. Hat es eigentlich einen Herrscher gegeben, der sich in einem solchen Fall weder gedemütigt hat noch zerstritten mit der Kirche blieb, ich meine, außer dieser Sache mit der babylonischen Gefangenschaft?«
Anselm nickte. »Sicher, sogar mehrere. Ich könnte dir mindestens zwei nennen. John von England und«, seine Stimme wurde etwas boshaft, »Lorenzo de'Medici.«
Richard wußte genau, daß Anselm von ihm erwartete, sofort bei Lorenzo nachzuhaken. Deswegen sagte er absichtlich: »Wie war das mit John?«
Anselm verbreitete sich in einer ausführlichen Lektion über englische Geschichte, bis Richard den Zeitpunkt für gekommen hielt, um sich so harmlos wie möglich zu erkundigen: »Hm … und Lorenzo de'Medici?«
Anselm zwinkerte. »Oh«, antwortete er, »vielleicht sollten wir das auf ein andermal verschieben und den Geschichtsunterricht für heute beenden. Es gibt noch einiges an Naturwissenschaftlichem, was zu bewältigen wäre. Mach nicht so ein Gesicht, Richard, sondern berichte mir über die philosophische Rechtfertigung der Araber des Axioms der Null. Worauf wartest du?«
Richard schwor Anselm heimlich Rache, aber an diesem Tag konnte er wenig anderes tun, als sich der handwerklichen Seite des Lebens zu widmen und wieder einmal Hans Basinger zu besuchen.
Der Goldschmied bedauerte gelegentlich, daß Richard als Neffe seines Vetters nicht einfach sein Lehrling werden konnte. Der Junge hatte Talent, dachte er, wirkliches Talent. Er machte Richard mit dem Formen, Hämmern und Schleifen der edlen Metalle und Steine vertraut, was ihnen beiden viel Freude bereitete, doch Richards Hauptstärke war das Entwerfen von Schmuckstücken, Gefäßen, allem, was Basinger herstellen konnte. Richard konnte sie vor sich sehen, die gleißenden Schönheiten, während er eifrig zeichnete und dem Goldschmied erklärte, welche Edelsteine er sich vorstellte. Und während ein neues Jahr kam und ging, wurde er von Jakobs robustem Verwandten auch in die Sprache der Steine eingeweiht.
»Kann sein, es ist Aberglauben«, sagte Basinger und spie auf den Boden, »aber ich habe noch keinen Goldschmied erlebt, der etwas taugt und sich nicht dran gehalten hat. Bestimmte Steine vertragen sich nicht.«
Richard schwieg. Seitdem ihm Basinger einmal über den Mund gefahren war, weil er behauptet hatte, daß Diamanten in Ziegenblut so weich würden wie andere Steine, und als Beweis den großen Plinius genannt hatte, hatte er gelernt, sich mit dem zurückzuhalten, was er aus seinen Büchern über Edelsteine wußte. Plinius hatte sich nämlich als höchst unzuverlässig erwiesen, und Richard war schamrot geworden, während Basinger schnaubte: »Ziegenblut! Ist das zu fassen?«
»Saphire«, sagte Basinger jetzt, »stehen für die Hoffnung, und Jaspis für den Glauben. Der Amethyst steht für Demut, aber wenn er nahe bei Rubinen liegt, auch für Treulosigkeit in der Liebe. Bestellt deswegen ein Mann etwas für sein Liebchen, dann verbinde niemals Amethysten mit Rubinen. Der Türkis ist die Freude und eignet sich für die meisten Dinge. Rubine sollten immer allein verwendet werden, denn sie stehen für eine Unzahl von Dingen und wirken so am besten. Außerdem sind die meisten Verbindungen mit Rubinen unglücklich, außer bei Diamanten, dann stehen die Rubine für die Erzengel. Beryll bedeutet …«
Jakob äußerte sich nicht zu Richards Goldschmiedeleidenschaft, jedenfalls nicht Richard gegenüber, doch Veronika handelte sich einmal eine schneidende Bemerkung ein, als sie zu ihrem Schwager sagte, es sei vielleicht nicht übel, wenn der Neffe seiner Gemahlin ein Handwerk erlerne, denn schließlich müsse er einmal für seinen Lebensunterhalt sorgen, und Jakob beabsichtigte doch nicht etwa, ihn in das Unternehmen einzugliedern?
»Es würde deinem Sohn Hänsle nicht schaden«, erwiderte Jakob eisig, »das gleiche zu tun, statt nur in den Tag hineinzuleben und das Geld seines Vaters zu verschwenden.«
Nach einiger
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