Die Puppenspieler
angewurzelt an der Schwelle stehenblieb. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als wiederhole sich alles noch einmal. Auf seinem Bett saß, in neuen Kleidern und ein Bein über das andere geschlagen, Barbara.
Richard machte sofort die Tür zu. »Bist du wahnsinnig geworden?« fragte er schärfer, als er es beabsichtigt hatte.
Barbara verzog das Gesicht. »Das ist nicht nett von dir«, rügte sie. »Keine Sorge, niemand weiß, daß ich hier bin. Ich wollte mich von dir verabschieden, meine neue Herrin verläßt nächste Woche Augsburg. Die Lisbeth hat mich reingelassen, niemand weiß, daß ich da bin.«
Richard fühlte sich in Barbaras Gegenwart einmal mehr ins Unrecht versetzt. »Es tut mir leid. Ich freue mich, daß du gekommen bist.« Barbara stand schwungvoll auf und näherte sich ihm. »Stimmt das? Ich freue mich nämlich auch … sehr.«
Sie legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn auf den Mund. Er wehrte sich nicht, doch er erwiderte ihren Kuß nicht, und enttäuscht ließ sie von ihm ab.
»Ich hätte wieder so einen Trank mitbringen sollen«, murmelte sie, »aber ich habe ein Abschiedsgeschenk für dich.«
Sie zog ein kleines Bündel zwischen ihren Brüsten hervor, eine Stoffkugel, die mit irgend etwas gefüllt war. »Trägst du das für mich, zur Erinnerung, ja«, fragte sie, »oder ist's dir unangenehm?« Von der Kugel ging ein starker Kräutergeruch aus, der Richard an etwas erinnerte. Er nahm sie auf seine Hand. Sie war noch warm, wie Barbaras Körper, aber da war noch etwas … etwas Vertrautes …
»Woher hast du das?« erkundigte er sich, während er sich vergeblich den Kopf zerbrach, wo er so etwas schon gesehen haben konnte.
Erfreut über den Erfolg ihres Geschenks erwiderte Barbara: »Je nun, von der Hexe am Fluß, der alten Bertha, die mir auch die Kräuter für die Nacht gegeben hat, als … na, du weißt schon …«
Mit einem Ruck schleuderte Richard das Ding von sich und packte Barbara an ihren Handgelenken. »Was sagst du da?«
Barbara starrte ihn an. Von dem verwirrten jungen Mann, dem sie sich so überlegen gefühlt hatte, war nichts mehr geblieben. Seine schwarzen Augen blickten eiskalt, der Mund war zu zwei schmalen Strichen zusammengepreßt, und die Art, wie er sie festhielt, hatte nichts Zärtliches, war beinahe gewalttätig.
»Von der Hexe«, stammelte sie, »der Hexe am Fluß …«
Richard ließ sie jäh los. Er wußte nun wieder, um welche Kräuter es sich handelte, es war eine Mischung, die seine Mutter immer neben den Schlaftränken aufbewahrt hatte – wieso hatte er das nur je vergessen können? Wie hatte er nur Tage, Monate, Jahre leben können, ohne an das Ziel zu denken, das er sich vorgenommen hatte? »Es gibt keine Hexen, Barbara«, sagte er kühl, und der verwirrte Schmerz in ihrer Miene, als sie sich die Handgelenke rieb, war ihm beinahe gleichgültig. »Sag so etwas nie wieder.«
Barbara war in ihrem Leben schon öfter grob behandelt worden, doch noch nie auf so unverständliche Weise, und jetzt schlug sie zurück.
»Selbstverständlich gibt es die! Die alte Bertha ist eine! Sie hat einen Hausgeist, einen Dämon, mit dem sie regelmäßig spricht! Ich weiß es, ich habe sie einmal selbst dabei beobachtet. Und sie kann Dinge tun, die bringt sonst keiner fertig, nicht einmal der Herr Fugger mit all seinem Geld könnte so etwas!«
Richard nickte langsam, als habe er Antwort auf eine Frage bekommen. »Also gut«, sagte er. »Du glaubst, daß sie eine Hexe ist? Dann zeig sie mir, diese Hexe. Ich möchte sie sehen.«
Die alte Frau bewohnte eine Bauernkate, verwittert und heruntergekommen vielleicht, doch gewiß nicht unheimlich. Als sich seine Augen erst einmal an das dämmrige Licht im Inneren gewöhnt hatten, erkannte Richard aufgehängte Kräuterbündel und getrocknete Mistelzweige. Der Duft nach Salbei machte ihn zornig. Diese Alte nutzte den Aberglauben ihrer Besucher aus, sie hatte kein Recht, dieselben Kräuter wie seine Mutter zu verwenden, denn solcher abergläubischer Narren wegen war seine Mutter auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden! Es war nicht nur die Schuld der Priester. Es war auch die Schuld von Leuten, die den Glauben an Hexen zu ihren Zwecken ausnützten.
Ein Vorhang wurde zurückgeschlagen, und Richard stand einer Frau gegenüber, die gewiß nicht älter als Jakob Fugger war. Verwirrung stieg in ihm auf. Das konnte doch nicht die ›alte Bertha‹ sein? Dann bewegte sie sich, und er erkannte, warum man sie so nannte. Ihr Haar war
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